er hat eine mütze für mich gestrickt
Die Jury hat entschieden!
Die Gewinner*innen werden bald bekannt gegeben.
Wettbewerb im Januar 2025
Was würdet ihr wählen, wenn ihr von all euren Sachen nur ein einziges Objekt retten könntet? Vielleicht wäre es euer Smartphone, weil ihr darin all eure Erinnerungsfotos und Nachrichten gespeichert habt? Oder ein Schmuckstück, das euch geschenkt wurde und das ihr mit einem ganz besonderen Anlass verbindet? Oder aber eine Serviette, auf die jemand, die*der euch ganz viel bedeutet, etwas gekritzelt hat? Auch wenn in den letzten Jahren Minimalismus und Aussortieren nach Marie Kondo angesagt war: Wir haben noch immer eine fast magische Beziehung zu Gegenständen. Sie speichern Erinnerungen an Menschen und Gefühle und sollen auch zeigen, dass wir „wer“ sind, Teil der Gesellschaft, im Trend, fähig, uns etwas zu leisten.
Die Frage danach, wie wertvoll ein Gegenstand ist, kann ganz viele Facetten haben. Da gibt es die Dinge, die einen hohen Wert haben, wie Autos oder Immobilien. Gleichzeitig gibt es aber auch Gegenstände, die für sich genommen nicht teuer sind, aber früher einmal einem besonders bedeutenden oder beliebten Menschen gehört haben und dadurch einen hohen Wert erzielen. Und dann gibt es die Dinge, die für uns persönlich von unermesslichem Wert sind, weil sie einer geliebten Person gehört haben, ihre Geschichte speichern und uns Trost spenden. Dinge können wir festhalten, sie gehen nicht einfach weg. Gleichzeitig können wir uns auch überfordert fühlen, wenn wir zu viele haben. Hier kommen das Aussortieren, Ordnen und Aufräumen ins Spiel. Wegwerfen wird zum Loslassen. Und Dinge werden zu Müll. Wie viele Dinge brauchen wir? Und was geschieht mit den Sachen, die wir nicht mehr haben wollen? Diese und noch mehr interessante Denkanstöße werden in dem Feature „Warum uns Dinge so viel bedeuten“ von Deutschlandfunk Kultur behandelt, das wir euch diesen Monat empfehlen.
Das neue Jahr ist noch ganz frisch und deshalb möchten wir gemeinsam mit euch nach vorn schauen: Welcher Gegenstand ist euch mit Blick auf das beginnende Jahr besonders wichtig? Weil er vielleicht nützlich für euch sein wird, euch an etwas erinnert, das 2024 von großer Bedeutung war, oder im neuen Jahr eine wichtige Rolle spielen wird. Erschreibt euch euer „Ding des Jahres“! Wir freuen uns auf eure Gedichte und wünschen euch einen fantastischen Start in das neue Jahr!
Inspiriert zu dem Thema hat uns das Gedicht „über die kleine straße“ der slowenischen Lyrikerin und Übersetzerin Ana Pepelnik, das wir euch im Folgenden vorstellen. In dem Text wird am Ende eine Mütze sowohl für den kommenden Winter wie für den darauffolgenden Sommer gestrickt – ein Objekt, das bleibt, wenn die Person, um die es geht, vielleicht verschwunden sein wird, so wie es das Gedicht andeutet. Vielleicht gibt es auch für euch einen Gegenstand, von dem ihr euch vorstellen könnt, dass er eine ganze Weile bei euch bleiben wird?
über die kleine straße
Ana Pepelnik
in dieser stadt sind die häuser weiß und schweben.
die straßen führen nach oben nur.
außer den treppen gibt es nichts
was dem meer ähnelt. tee wird in gläsern angeboten
und ein stück würfelzucker fällt langsam
auf die minze. bis auf das fallen
des teegesprenkelten zuckers gibt es nichts
das dem schnee ähnelt. so gesehen bei
jemanden, der sagte, ich solle mir keine sorgen machen.
ich sollte lachen, weil es das richtige sei.
er sagte, er fliege jede nacht zum mond
er habe drei katzen. drei katzen haben flöhe.
abends haben wir ihn dann gesucht. er war nicht da, weil er
auf dem mond war. und als ich die sterne zählte
konnte ich den mond sehen. alles darauf.
und er hat eine mütze für mich gestrickt.
für den winter. wenn der schnee wie zucker im tee gefärbt
sein wird. für den sommer, wenn ich am meer sitze.
mit einer mütze über ohren und augen.
Ana Pepelnik: nicht fisch, parasitenpresse, Köln 2023, übersetzt aus dem Slowenischen von Adrian Kasnitz und Thomas Podhostnik
Über die Lyrikerin
Ana Pepelnik ist Dichterin und Übersetzerin. Ihr erster Gedichtband Ena od variant kako ravnati s skrivnostjo wurde 2007 veröffentlicht und wurde für den The First Book Award nominiert. Zwei Jahre später erschien ihr zweiter Gedichtband Utrip oranžnih luči na semaforjih, und 2013 ihr dritter Gedichtband Cela večnost. Alle drei Bücher wurden von LUD Literatura veröffentlicht. Es folgten ihr viertes Buch Pod vtisom (2015), ihr fünftes Buch tehno (2017) und treš (2021) bei LUD Šerpa veröffentlicht. Kürzlich erschien to se ne pove bei LUD Literatura (2023).
Sie ist Übersetzerin von Gedichten aus dem Englischen, u.a. von Elizabeth Bishop, James M. Schuyler, Matthew Zapruder, Joshua Beckman, Noelle Kocot, Matthew Rohrer, und ins Englische. In den USA wurde ihre Übersetzung (zusammen mit Matthew Rohrer) von Skin (von Tone Škrjanec) bei Tavern Books veröffentlicht und stand auf der Shortlist für den American PEN Award für Übersetzung. Als Lyrikerin nahm sie an dem internationalen Projekt Metropoetica teil. Als Sprecherin nimmt sie an Sound-Impro-Performances mit dem Trio CPG Impro (Čučnik Pepelnik Grom) teil. Im Dezember 2024 wurde sie mit dem Horst-Bienek-Förderpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste für nicht fisch ausgezeichnet.