lang und glatt oder kringelig?
Die Jury hat entschieden!
Die Gewinner*innen werden bald bekannt gegeben.
Wettbewerb im November 2024
Sich öffentlich ohne Hijab zeigen, stachelige Irokesenschnitte gegen das Establishment tragen oder einen Afro als Widerstandssymbol gegen Rassismus: Haare können politische Statements sein. Wie man sie trägt, schneidet, färbt, zeigt oder verbirgt, ist mitunter nicht nur Ausdruck von persönlichen Vorlieben, sondern auch von politischen Ansichten. Welche Möglichkeiten fallen euch ein, mit den Haaren ein Zeichen für die eigenen Überzeugungen zu setzen?
Oft verbinden wir Haare sehr stark mit Gefühlen und unserer eigenen Identität. Schon jahrhundertelang gibt uns dabei die Gesellschaft vor, wie man Haare zu tragen hat, wenn man bestimmten Gruppen zugehören will. Was sagt es zum Beispiel aus, wenn ich als Mann lange Haare trage oder als Frau kurze? Welche Werte sind damit verbunden? Haare sind immer mehr als „nur eine Frisur“.
Dass Haare tatsächlich regelmäßig als Kampf für einen Wandel eingesetzt werden, hat uns die Geschichte schon vielfach vor Augen geführt. Wie wir unsere Haare zeigen oder auch nicht, rasieren oder wachsen lassen, ist Ausdruck unserer Persönlichkeit, aber auch der Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen, religiösen oder kulturellen Gemeinschaften. Mit Haaren können wir uns einfügen oder uns abgrenzen und senden damit eine Botschaft aus.
Die erste umfassende fotografische Ausstellung zum Thema Haare könnt ihr aktuell im Museum Folkwang in Essen sehen. „Grow It, Show It!“ beleuchtet die geschichtliche, politische und alltagskulturelle Bedeutung von Haaren über historische bis aktuelle Fotografien bis hin zu Videos und Filmclips aus Kunst, Mode und Social Media. Eine der ausgestellten Fotografien stammt von der in Teheran geborenen und in Australien lebenden Künstlerin Hoda Asfhar. Die unbetitelte Aufnahme zeigt drei schwarz gekleidete Frauen, die sich gegenseitig zärtlich die Haare flechten. So friedlich und ruhig die Geste wirkt, stellt sie doch einen rebellischen Akt dar. Afshar macht mit den Fotografien auf die Freiheitsbewegung iranischer Frauen aufmerksam, die für die Rechte von Frauen protestieren und damit ihr Leben riskieren. Ein Motiv ist dabei das Flechten von Haaren, das für Verbundenheit, Schwesternschaft und Widerstand steht.
Wie Haare im Spannungsfeld zwischen Intimität und öffentlicher Repräsentation stehen, zeigt uns auf wortspielerische Weise auch das Gedicht „Ein Haar“ der Lyrikerin Sonja vom Brocke, das wir euch diesen Monat vorstellen. „Schämen Sie sich / am meisten für Scham?“ fragt das lyrische Ich dort und markiert damit auf humorvolle Weise den Diskurs um Intimbehaarung, der ebenfalls das Potential hat, gesellschaftliche Umbrüche zu markieren. Woher kommt es, dass wir uns für Körperbehaarung schämen und sogar einen Teil der derselbigen Schambehaarung nennen? Ist es auch ein politischer Akt, sie nicht zu entfernen?
Wir freuen uns im November auf eure Gedichte rund um Haare und ihre politische Dimension! Welche Möglichkeiten fallen euch ein, mit den Haaren ein Zeichen für die eigenen Überzeugungen zu setzen? Welche Veränderungen und Umbrüche markieren wir mit Haaren? Welche Geschlechterrollen werden uns über Haare zugeschrieben? Warum sind Haare so bedeutend? Schreibt vom haarigen Wechselspiel zwischen Intimität und gesellschaftlicher Bedeutung. Wir freuen uns auf eure lyrischen Gedanken!
Ein Haar
Sonja vom Brocke
»Wie meinen Sie: lang und glatt oder kringelig?«
Schämen Sie sich
am meisten für Scham?
Schnippeln Sie
Ihre Lappen ab
um mittig akkurat zu glänzen?
aus: Sonja vom Brocke, Mush. Gedichte © kookbooks – Berlin 2020.
Weiterführende Informationen
Sonja vom Brocke, geboren 1980 in Hagen, lebt heute in Wien und Berlin. Sie veröffentlichte die Einzeltitel Mush, 2020, Venice singt, 2015, Düngerkind, 2018, und Ohne Tiere, 2010. Sonja vom Brocke studierte Philosophie und Literatur in Köln, Hamburg und Paris. Sie schreibt Gedichte, Prosa, Essays und übersetzt.
Sonja vom Brocke, Foto: privat
Ausstellung
Grow it, show it!
Haare im Blick von Diane Arbus bis TikTok
13. September 2024 – 12. Januar 2025 im Museum Folkwang in Essen
Die Ausstellung Grow It, Show It! nähert sich über eine große Bandbreite von historischen bis aktuellen Fotografien, Videos und Filmclips aus Kunst, Mode und Social Media der geschichtlichen, politischen wie alltagskulturellen Bedeutung von Haaren.
Von Fotograf:innen wie Helmut Newton, Chaumont-Zaerpour oder Suffo Moncloa, die Frisuren nicht nur als Accessoires, sondern als zentrales Gestaltungselement inszenieren, bis hin zu Künstler:innen wie Hoda Afshar, Thandiwe Muriu oder Maria Tomanova, die Haare als Mittel des Widerstands und der Emanzipation darstellen: Grow It, Show It! zeigt anhand von Exponaten vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, dass Haare und ihre Inszenierungen nicht nur Gegenstand der Schönheitsindustrie sind, sondern auch von queer-feministischen, körperpolitischen und postkolonialen Diskursen. Gleichzeitig untersucht die umfassende Themenausstellung, auf welche Weise sich Bilder von Haaren im Wandel der Zeit gefestigt und Trends definiert haben und welche zentrale Rolle die Fotografie dabei spielt.
museum-folkwang.de/ausstellung/grow-it-show-it
Museum Folkwang Essen
Das Museum Folkwang ist eines der renommiertesten deutschen Kunstmuseen mit einer herausragenden Sammlung der Malerei und Skulptur des 19. Jahrhunderts, der klassischen Moderne und der Kunst nach 1945 sowie der Fotografie. Daneben beherbergt das Museum Folkwang auch umfassende Sammlungen zur Grafik, Archäologie, Weltkunst und Kunstgewerbe sowie zum Plakat. Spitzenwerke von van Gogh, Cézanne, Gauguin treffen auf Arbeiten von Rothko, Pollock, Richter. Es ist das erste deutsche Kunstmuseum in der Größe, das allen Besuchern freien Eintritt in die eigene Sammlung gewährt. Seine Ausstellungen und Veranstaltungen machen das Museum Folkwang zu einer Stätte des lebhaften Austausches mit Kunst, Kultur und Leben.
museum-folkwang.de