der nächste Halt

DAYS HOURS, MINUTES, und  SECS
[[deadline:2024-10-31 24:00:00]]

Wettbewerb im Oktober 2024

Was ist euch wichtiger? Freiheit oder Sicherheit? Lässt sich diese Frage aus eurer Sicht überhaupt eindeutig beantworten? Freiheit und Sicherheit stehen in einem grundlegenden Spannungsverhältnis zueinander und die Herausforderungen an beide Konzepte ändern sich mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten. In Zeiten von Terror und Krieg verhandeln Staaten neu über die Ausgestaltung der Begriffe. Was aber bedeutet das für uns ganz persönlich? Und wie stehen wir zu Sicherheit und Freiheit? Was wünscht ihr euch für euer Leben?

Lieber sicher oder lieber frei? Foto von zhang kaiyv: https://www.pexels.com/de-de/foto/schwarzer-vogel-im-kafig-2884578/

Freiheit ist ein Zustand frei von körperlichen und seelischen Zwängen; wenn man bestmöglich vor Gefahren und Risiken geschützt ist, ist man sicher – soweit zu einer einfachen Definition von Freiheit und Sicherheit. Weitaus schwieriger wird es schon, wenn man versucht zu beschreiben, wie die beiden Konzepte zusammenhängen und sich vielleicht gegenseitig auch einschränken können. „Schädigungen, Gefahren und Risiken können Einschränkungen der individuellen Freiheit bewirken, die als Zwang erlebt werden. Insofern wird man kaum auf Widerspruch stoßen, wenn man behauptet, die Gewährleistung von Sicherheit sei eine Voraussetzung der Freiheitsermöglichung. Die umgekehrte Behauptung, also Freiheitsverwirklichung als Voraussetzung der Sicherheitsgewährleistung, klingt weit weniger selbstverständlich.“, fasst ein Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung treffend zusammen. Als Gesellschaft müssen wir immer wieder neu verhandeln, welche Einschränkungen wir bereit sind in Kauf zu nehmen, um einen sich ebenfalls verändernden Standard von Sicherheit zu gewährleisten.

Das Gedicht „ich weiß, wo der nächste Halt ist.“ der slowenischen Lyrikerin Nina Medved lenkt diese grundlegenden Fragen nach Freiheit und Sicherheit in den persönlichen Bereich. Medved beschreibt darin, wie ein lyrisches Ich durch die Stadt schwebenden Drachen folgt, „ehe sie für einen Augenblick auf dem Platz stehen bleiben“. Die Situation des kurzen Innehaltens der Drachen überträgt das lyrische Ich auf das eigene Seelenleben und fragt sich zu Ende des Gedichts, wo wohl ihr*sein nächster Halt sein wird. Vielleicht wünscht es sich Halt im Sinne von Sicherheit und Struktur? Interessant ist auch die Tatsache, dass die Drachen in dem Gedicht im wahrsten Sinne des Wortes „frei“ zu sein scheinen. Sie werden offenbar nicht an einer Schnur festgehalten und gesteuert, sondern bewegen sich eigenständig durch die Straßen, personifiziert in der Beschreibung ihrer „flinken, glatten Leiber“.

Nehmt diesen Monat das Begriffspaar „Freiheit“ und „Sicherheit“ in den Fokus eurer Gedichte! Wie bedingen sich beide gegenseitig? Was spielt für euch gerade die größere Rolle? Nehmt gesellschaftliche Herausforderungen in den Blickpunkt oder schreibt aus ganz persönlicher, individueller Perspektive, in welchem Spannungsverhältnis Freiheit und Sicherheit stehen. Wann habt ihr euch schon einmal besonders frei, wodurch besonders sicher gefühlt? Wir sind gespannt, was euch zum Thema „der nächste Halt“ in den Sinn kommt, wünschen euch viel Spaß beim Schreiben und einen schönen Herbst-Monat Oktober!

ich weiß, wo der nächste Halt ist.

Nina Medved (übersetzt von Boštjan Dvořák)

wie durch die Stadt die gelben Drachen dahin jagen,
so dass ich beinahe ihre flinken, glaCen
Leiber berühren könnte.
wie ich das nicht tue, damit die AnziehungskraI
mich nicht nach innen zerrt.
ich mich damit abfinde und so nahe stehe,
dass sie mir das Haar aufwallen lassen,
ehe sie für einen Augenblick auf dem Platz stehen bleiben,
vielleicht überträgt sich so auf mich das Gefühl, dass
ich weiß, wo der nächste Halt ist.

aus: Nina Medved, Gleitende Welt. © Drava – Klagenfurt 2023.
drava.at

Weiterführende Informationen

Nina Medved, geb. 1989, ist Dichterin, Übersetzerin und Fotografin. Ihr Debüt-Gedichtband Drseči svet (Gleitende
Welt) wurde 2021 als bestes Debüt der slowenischen Buchmesse nominiert und für das Programm des Festivals
Pranger (2021) ausgewählt. Auf dem slowenischen nationalen Literaturfestival junger Autor*innen Urška wurde sie
als „vielversprechendste junge Autorin“ (2019) ausgezeichnet. Ihre Gedichte wurden ins Englische, Französische,
Griechische und Tschechische übersetzt. Im Jahr 2021 erhielt sie für die „existenzielle Tiefe und Renaissance-Breite“
ihrer Arbeit den internationalen Pont-Preis.

Nina Medved, Foto: Gregor Salobir

Schreibe, um zu träumen.