Schaff dem, was haltlos ist, eine Umrahmung.

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Wettbewerb im Dezember 2024

Wünsche werden wahr, Altes geht vorbei und eine neue Tür öffnet sich. – Es ist wieder einmal so weit: Der Dezember steht vor der Tür und das Jahr neigt sich dem Ende zu. Damit verbunden sind oft allerlei Hoffnungen, Erwartungen und Sehnsüchte. Für viele sind die Wochen um den Jahreswechsel eine schöne, magische Zeit voller Freude, leider sind sie für viele aber auch von Ängsten, Sorgen und Trauer geprägt. Im letzten Dezember haben wir euch nach euren Wünschen für 2024 gefragt, dieses Jahr gehen wir noch einen Schritt weiter: Was wäre, wenn ihr eure Wünsche nicht nur träumen, sondern auch herbeizaubern könntet? Stellt euch vor, ihr könnt alle(s) verzaubern und schickt uns diesen Monat eure poetischen Zaubersprüche rund um den Jahreswechsel!

Foto: Cristian Escobar auf Unsplash

Braucht ihr einen kreativen Funken? Vielleicht habt ihr Lust, euch zum „Aufwärmen“ von einem nicht ganz ernstgemeinten Zauberspruchgenerator inspirieren zu lassen. Auf edworking.com erstellt euch eine KI Zaubersprüche. Vielleicht lassen sich mit „Illuminata Desiderium“, „Seelenruf der Sternenweber“ oder „Dunkelsternentanz“ Anfänge für eure Zaubergedichte heraufbeschwören?

Ein Wunschritual in Gedichtform möchten wir euch diesen Monat mit Felix Schillers Text „Beschwörung des Festhaltens“ vorstellen. Jedes Mal eingeleitet durch das Wort „Wunsch“ listet das Gedicht 11 Wünsche auf, in denen etwas festgehalten werden soll, das sich nicht festhalten lässt. Was wäre, wenn die Beschwörung des lyrischen Ichs funktioniert und die Wünsche wahr werden?

Schickt uns diesen Monat eure zauberhaften Gedichtbeschwörungen! Stellt euch vor, ihr könntet alle und alles verzaubern: Was würdet ihr euch zum Jahresende wünschen? Schreibt poetische Zaubersprüche des Loslassens oder Festhaltens. Was soll mit dem alten Jahr gehen? Oder was soll bleiben? Wenn ihr mögt, könnt ihr gern Felix Schillers Formel nutzen, eine Liste aus 11 Wünschen notieren und diese Wünsche durch einen immergleichen Zeilenanfang einleiten. Weiter unten findet ihr dazu auch noch einige Tipps von ihm persönlich. Wir wünschen euch viel Spaß beim Dichten und eine zauberhafte Winter- und Weihnachtszeit! Kommt gut ins neue Jahr!

Beschwörung des Festhaltens

Felix Schiller

Umhülle, auf dass es nicht flüchte.

Stelle dich auf mit den hüftbreiten Füßen,
atme dir Luftbeine an.
Wo bist du zahm, liegt der Druck (nicht zu zähmen)?
Berühre mit dem Zeigefinger die Kuhle deiner anderen Hand.
Beschreite die Ader hinunter zur Beuge (Kitzel des Pulswegs).

11 Wünsche lass ziehen.
Wunsch. Drück meinen Blick ins Nisin.
Wunsch. Presse den Wohlduft auf Schellack.
Wunsch. Ritz meine Tage in Tafeln aus Zeder.
Wunsch. Zieh Fotoordner auf Sticks in Sulfiten.
Wunsch. Sammel krumplige Post-Ists in Barken.
Wunsch. Banne Staub hinter Stirn in Nitrat.
Wunsch. Lass Chats im Peroxid sinken.
Wunsch. Hol meine Sachen aus Ameisensäure.
Wunsch. Lege Zweige nieder im Bor.
Wunsch. Tauch meine Worte zu dir in Sorbate.
Wunsch. Schick im gebleichten Walnussboot
                               mein Erinnern mit dir hinaus.

Schaff dem, was haltlos ist, eine Umrahmung.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors

Vier Fragen an Felix Schiller

Worauf reagierst du mit deinem Gedicht?
Das Gedicht ist entstanden im Rahmen eines Theaterprojekts mit dem Titel „Der Eleusis Effekt“, für das ich mich mit Bleitäfelchen beschäftigt habe. In der Antike und im Mittelalter wurden in diese Täfelchen sogenannte „Bindezauber“ eingraviert. Sie wurden dann gefaltet, eingerollt oder durchbohrt und eigens vergraben, zum Beispiel als Grabbeigabe oder an Tempeln. An diese Bleitäfelchen wurde in einer Weise geglaubt, die mich sehr berührt hat. Hoffen und Wünschen können darauf einen Platz finden, in sehr konzentrierter Form, da das Format des Täfelchens den Textumfang beschränkt. Es finden sich Flüche, Bitten um Heilung, Bitten um Schutz vor Krankheiten oder Liebesbeschwörungen.

Hörfassung

Welche Reaktion erhoffst du dir von den Rezipient*innen deines Gedichts?
Ich finde es spannend, dass bei den Bleitäfelchen die materielle Gestaltung des Texts und die Form selbst schon den Sinn herstellen. Die Leser*innen können mit meinem Gedicht machen, was sie wollen, es ist ihr Lesen. Ich versuche mit dem Text nur, Vergänglichkeit zu konservieren, was natürlich scheitert. Wenn die Tragik und auch die Komik dieses Scheiterns lesbar werden, gleichzeitig die Möglichkeit sichtbar wird, immer wieder mit dieser Tragik und Komik ins Gedicht zu treten, ist alles gut.

Hörfassung

Welchen Ratschlag möchtest du jungen Lyriker*innen geben?
Glaubt an euch, horcht auf eure Umwelten. Schützt euch gleichzeitig davor, euch in euren Umwelten zu verlieren. Spürt den Wiederspiegelungen eurer Zeit nach, in euch und eurem Sprechen, versucht das Eigenständige und Eigenartige eures Hierseins genau jetzt in dieser Welt zu entdecken, schaut genau hin, wie sich eure Sprache verändert. Und sucht aktiv die anderen Schreibenden, lasst sie nah an euch heran.

Hörfassung

Welche Lyrikaufgabe würdest du unseren Teilnehmer*innen stellen?
Versuche, das im Gedicht „Beschwörung des Festhaltens“ beschriebene Ritual für dich selbst zu vollziehen. Überlege, was du mit deinem Körper machen kannst, um gut nachzudenken: Schreibe zwei bis drei Empfehlungen an deinen Körper auf: Wie sollte er sich positionieren? Dann nimm dir genau 11 Zettelchen: Überlege, was du gerade gerne festhalten würdest? Was soll niemals vergehen, was soll sich nie für dich ändern? Das können große Begebenheiten sein oder auch ganz kleine Dinge. Schreibe diese 11 Wünsche auf die Zettelchen. Dann ordne die Zettelchen so nacheinander an, dass es für dich stimmig ist. Finde eine Formel in der Befehlsform, mit denen du deine Wünsche immer gleich einleitest und sie fortgehen lässt: Das kann alles sein, ein Wort oder auch ein kurzer Satz, z.B. „Weg mit dir, ich möchte für immer…“ oder „Nimm es, ich will, dass sich … nie ändert“ oder „Lass ziehen, ich wünsche mir, dass…“. Einfach, was sich für dich stimmig anfühlt. Die Empfehlungen an deinen Körper vom Anfang zusammen mit diesen 11 Wunschformeln, das ist dann dein Gedicht, du hast das Ritual vollzogen.

Hörfassung

Lesung „Beschwörung des Festhaltens“

Felix Schiller studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik in Freiburg, Basel, Wien und La Paz. Er war Finalist beim 22. und 24. open mike sowie beim Lyrikpreis Meran und erhielt verschiedene Arbeits- und Aufenthaltsstipendien. Zuletzt erschien bei hochroth München der Band regionale konflikte, der unter „Die besten Lyrikdebüts“ gewählt wurde.

Felix Schiller, Foto: Paul Sauvant

Schreibe, um zu träumen.