bin ein stringteilchen

DAYS HOURS, MINUTES, und  SECS
[[deadline:2024-05-31 24:00:00]]

Wettbewerb im Mai 2024

Gleicht euer Kopf auch manchmal einer riesigen Kommode mit unzähligen Schubladen? Schubladen, in die ihr Menschen, Aussagen und Situationen einsortiert? Auch wenn „Vorurteile“ nicht nur schädlich sind, da ohne sie keine Orientierung möglich wäre, tun sie in vielen anderen Fällen Menschen und Situationen auch unrecht. Und wenn wir schon bestimmte Einstellungen zu anderen haben, ist es oft schwierig, diese wieder zu verändern.  Lasst uns diesen Monat einmal gemeinsam unsere Schubladen aufräumen: Wo und wie ziehen wir voreilige Schlüsse über die Lebensrealitäten von anderen, zum Beispiel aufgrund eines Satzes, den sie gesagt haben? Was meinen wir über andere zu wissen, obwohl wir keine Ahnung haben, und wie könnten wir vielleicht die automatischen Schranken in unseren Köpfen überwinden?  Bei welchen Aussagen, Personen oder Situationen ist bei euch schon einmal zu Unrecht eine Schublade aufgesprungen – und wie habt ihr es bemerkt?

MANIC PIXIE DREAM BOY – Teaser #2 – Was macht dich aus?, CONNY

„Wer bist du, Manic Pixie Dream Boy?“, fragt der Protagonist in der Album-Trilogie „Manic Pixie Dream Boy“ des Kölner Rappers CONNY. In seinen Liedern entwirft CONNY das Bild eines jungen Mannes, der sich verzweifelt an das zu klammern versucht, worüber er sich bisher definiert hat: Männlichkeit, Kapitalismus, Produktivität. Als ihm bewusst wird, dass diese Welt im Wandel ist und er sich neu finden muss, begibt er sich auf eine Reise mit seinem ausgedachten rosahaarigen Freund, dem Manic Pixie Dream Boy. Wie passt dieser pastellige Dream Boy, von dem ihr rechts einen Eindruck bekommt, mit seinem bisherigen Selbstbild zusammen? Er ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich auch stereotype Bilder – analog zur Entwicklung der Gesellschaft – verändern.

Nicht nur das „große Ganze“, die Gesellschaft, befindet sich im Fluss, auch wir selbst verändern uns stetig. Das Fragmentarische, das uns alle ausmacht, hält auch Anna Hetzer in ihrem lyrischen Selbstportrait „Selbstbildnisse“ fest. In ihrem Gedicht listet sie auf, welche unterschiedlichen Rollen ein Ich einnimmt und macht deutlich, dass diese durchaus auch widersprüchlich sein können. Wir zeigen euch ihr Gedicht als ein Beispiel, wie man sich selbst lyrisch portraitieren kann, und bitten euch hiervon ausgehend zu überlegen: Wie könnt ihr Bilder von anderen, von Fremden, in Gedichtform entwerfen und dabei eine ebenso komplexe Fremdbeschreibung vornehmen, wie sie uns zu uns selbst vielleicht recht leicht einfallen würde?

Schickt uns diesen Monat eure Ideen zum lyrischen Fremdportrait! Setzt euch dabei mit euren eigenen Vorurteilen auseinander: Über wen und was wisst ihr eigentlich viel zu wenig? Bei wem wollt ihr einmal genauer hinschauen, um seine*ihre Lebensrealität besser zu verstehen? Nähert euch dieser Person oder diesen Personen an, indem ihr ein Gedicht für sie schreibt! Wir freuen uns auf eure Texte zum Thema „bin ein stringteilchen“!

Selbstbildnisse

Anna Hetzer

eine karte aus sedimentschichten
schreibe und überschreibe den grabungsbefund
bin ein junge, die sich einen bart malt
atem am schnürchen
brustkorb und handy in dauerbetrieb
bin ein stringteilchen, kind vom synthiepop
rauche undsoweiter
unberechenbarer blutcode
bin kuss, bin kissen, kontakt in einer cloud
passantin auf dem radweg
mit mäanderndem verlauf
die meisten fragmente bleiben in der kiste
bin vom wecker aufgeschreckt
schneckenhalterin und patentunte
manchmal eine nackte frau im spiegel
die mich verwundert ansieht

aus: Anna Hetzer, Pandoras Playbox, Verlagshaus Berlin 2022

Weiterführende Informationen

Anna Hetzer lebt als freie Autor*in in Berlin. Sie beteiligt sich regelmäßig an künstlerischen Kooperationen und Performances, so in den Bereichen Musik, Bildende Kunst und Gebärdensprachpoesie. Zuletzt erschienen die Bände Pandoras Playbox (Verlagshaus Berlin 2022) und Schaum (Sukultur 2022). 2023 war sie Stipendiat*in der Villa Serpentara und erhielt den Basler Lyrikpreis.

Anna Hetzer, Foto: Dirk Skiba

Lesung und Schreibimpulse zum Monatsthema von und mit Anna Hetzer

Schreibe, um zu träumen.