ab wann die Stadt zu heißen beginnt

Die Jury hat entschieden!

Zu den Gewinner*innen

DAYS HOURS, MINUTES, und  SECS
[[deadline:2024-02-29 24:00:00]]

Wettbewerb im Februar 2024

Habt ihr schon einmal von mentalen Landkarten gehört? In unserem Gehirn speichern wir geografische Räume, zum Beispiel Landschaften, Städte oder Innenräume. Dabei ist die Vorstellung von diesen Räumen zu einem Großteil auch immer subjektiv: Orte, die wir kennen, sind genauer abgespeichert als fremde. Besonders wichtige Punkte stechen hervor. Und wir vermischen das, was wir sehen, mit Wissen, das wir schon einmal erlangt haben. So entstehen bei jeder und jedem von uns ganz individuelle Landkarten, bei der keine der anderen gleicht – genauso, wie es sich mit unseren Lebensläufen verhält. Wir rufen euch daher diesen Monat dazu auf, eine mentale Landkarte von den Orten eures bisherigen Lebens zu erstellen. Wie sähe sie aus? Welche geographischen Punkte und welche Wege würde sie zeigen?

Räumliche Darstellungen helfen uns zu verstehen. Und sie scheinen wichtig für weitere Denkprozesse zu sein. Offenbar hängen auch die räumliche und soziale Wahrnehmungsfähigkeit eng zusammen. Forscher untersuchen seit einiger Zeit, ob uns dieselben Hirnareale, die uns durch Raum und Zeit steuern, auch bei zwischenmenschlichen Beziehungen helfen, und diese auch landkartenähnlich abgebildet werden. Wenn ihr Lust habt, einmal im Detail nachzuhören, was es damit auf sich hat, hört gerne in den verlinkten Podcast „Zeitfragen“ von Deutschlandfunk Kultur rein. Hier wird auch die sprachlich interessante Verknüpfung von Raum und zwischenmenschlichen Beziehungen aufgegriffen: „Eine Person kann versuchen, Status zu erlangen, um ‚die soziale Leiter hinaufzuklettern‘ oder auf jemanden unter ihr ‚herabzusehen‘. Wie wir über Menschen als Orte sprechen, so bildet unser Gehirn soziale Nähe oder eben Distanz als abstrakte räumliche Darstellung ab.“

Wie man die Darstellung von Raum mit seiner Biografie und persönlichen Wahrnehmungen und Erinnerungen verknüpfen kann, zeigt uns in diesem Monat auch der Lyriker Farhad Showghi. In seinem Gedicht „Ende des Stadtplans 9“ lässt uns ein lyrisches Ich an seinem*ihrem Gedankenstrom bei einem Gang durch die Stadt teilhaben und hebt verschiedene Sinneseindrücke von Orten hervor, die für ihn* sie eine besondere Bedeutung haben.

A phrenological map of the human brain, Foto: IMAGO/agefotostock

Zeichnet die Orte nach, die in eurem Leben bis jetzt besonders wichtig für euch waren. Was habt ihr dort gemacht, und wie unterscheiden sie sich dadurch von anderen Orten auf der Welt? Wo steht ihr gerade? Wie seid ihr hierhergekommen? Ihr könnt chronologisch vorgehen oder sie nach einem anderen Prinzip ordnen. Lasst so eure ganz persönliche poetische Landkarte entstehen. Wir freuen uns auf eure Gedichte!

Ende des Stadtplans 9

Farhad Showghi

Schauen wir hinter vielen Häusern, ab wann die Stadt zu heißen beginnt. Woher wir wieder einige Straßen wissen, die wir hinauffahren können oder langsam herunter in kühler Luft, während schon manchmal eingebogen wird, Lichtflecken, Parkplatzschotter uns laufen lassen, dann wohnen wir auch gerne einmal herum, und von weitem vielleicht kommt die Hand zum Winken, hat nördlich oder südlich etwas für uns gekocht.

aus: Farhad Showghi: Ende des Stadtplans. Urs Engeler Editor 2003. © Farhad Showghi

Weiterführende Informationen

Farhad Showghi, Foto: G2 Baraniak
Farhad Showghi, Foto: G2 Baraniak

Farhad Showghi, geboren 1961 in Prag, verbrachte Kindheit und Jugend in der BRD und in Iran. Nach seinem Studium der Humanmedizin in Erlangen lebt und arbeitet er seit 1989 als Psychiater, Psychotherapeut, Autor und Übersetzer in Hamburg. Er veröffentlichte unter anderem die Einzelbände Die Sekunde ist eine bewohnbare Provinz, Kulturamt Erlangen 1988, Die Walnußmaske, durch die ich mich träumend aß, Rospo 1998, Ende des Stadtplans, Urs Engeler Editor 2003, Die große Entfernung, Urs Engeler Editor 2008, In verbrachter Zeit, kookbooks 2014, und Wolkenflug spielt Zerreißprobe, kookbooks 2017, sowie als Übersetzer Ahmad Shamlu: Blaues Lied. Ausgewählte Gedichte. Persisch und Deutsch, Urs Engeler Editor 2002. Farhad Showghi erhielt unter anderem Kulturförderpreise für Literatur der Städte Erlangen und Hamburg, den 3-sat-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, den N. C. Kaser-Lyrikpreis und den Peter-Huchel-Preis.

Videos zum Monatsthema

Lesung Monatsgedicht und Schreibimpulse von und mit Farhad Showghi

Schreibe, um zu träumen.