Die eine Kachel war knallgrün
Die Jury hat entschieden!
Die Gewinner*innen werden bald bekannt gegeben.
Die Jury hat entschieden!
Wettbewerb im August 2022
Manche Dinge kann man einfach nicht ändern – und das zu ertragen, kann schwierig sein. Wie geht ihr damit um, wenn ihr etwas „einfach hinnehmen“ müsst? Wie lässt sich, wenn sich an der Situation nichts drehen lässt, vielleicht der eigene Blick darauf verändern? Oder muss man manchmal vielleicht einfach darüber reden – oder schreiben? Diese Fragen stellen wir euch im August und freuen uns auf eure Antworten in Gedichtform!
Auch das Gedicht „Zum Beispiel“ der Lyrikerin Elke Erb setzt sich mit diesem Thema auseinander: Hier steht eine knallgrüne Kachel im Zentrum – die sich nicht ändern ließ und nicht ändern lässt, „eingesetzt sitzt sie fest“. Elke Erb beschreibt in diesem Gedicht die Schwierigkeit, an dieser Kachel vorbeizuschauen, ohne dabei gleich so zu tun, als ob es sie nicht gäbe. Gleichzeitig öffnet das Gedicht aber auch den Raum für die Möglichkeit, vielleicht doch noch etwas an der gegebenen Situation ändern zu können. Die letzte Zeile endet mit „Denke: Knall“. Vielleicht wurde die Kachel gedanklich einfach weggesprengt?
Als zusätzliche Schreibanregung stellen wir euch diesen Monat ein Video in zwei Versionen vor: Ihr seht hier Aufnahmen aus dem Jahr 1931, die eine Straßenbahnfahrt durch Leipzig zeigen. Lange kannte man solche Aufnahmen nur in Schwarz-Weiß. Durch Einsatz von Künstlicher Intelligenz lassen sich schwarz-weiße Originalaufnahmen mittlerweile aber nachkolorieren. Schaut euch beide Versionen an. Wie ändert sich eure Betrachtung der Situation, wenn ihr die Aufnahmen in Farbe seht? Könnte es sein, dass manchmal schon ein Perspektivwechsel eine Situation beeinflussen kann?
Wie geht ihr damit um, wenn euch etwas gehörig gegen den Strich geht? Was gibt euch Kraft oder Geduld? Wie schafft ihr es, Akzeptanz herzustellen, auch gegenüber Situationen, die euch erstmal gar nicht passen – wenn ihr sie nicht verändern könnt?Und welche klitzekleine Möglichkeit gibt es vielleicht doch, noch etwas ändern zu können oder zumindest den Blick auf die Situation? Schickt uns im August eure Gedichte zum Thema „Die eine Kachel war knallgrün“!
Zum Beispiel
Die eine Kachel war knallgrün. Das ließ sich nicht ändern.
Sie war es, ist es, so ist es. Wenn sie noch ist.
Daran läßt sich nichts ändern. Eingesetzt sitzt sie fest.
Unzureichend gebilligt. Wirkt an erträglich vorbei.
Es bedarf einer Zutat, einer gewissen Dosis von Absehn,
Vorbeisehn an ihr, im Wissen, da sitzt sie.
Dessen bedurfte es wohl. Spürbarer Duldung, sozusagen,
bei aber nicht verminderter Aufmerksamkeit.
Ein Knall ist ein Phänomen. Denke: Knall.
aus: Elke Erb: Sonanz: 5-Minuten-Notate.
(c) 2008 Urs Engeler Editor, Weil am Rhein
Weiterführende Informationen
Elke Erb
wurde 1938 in Scherbach in der Voreifel geboren und zählt zu den renommiertesten Lyriker*innen Deutschlands.
Zu ihren über 20 Büchern gehören beispielsweise „Kastanienallee“ (Aufbau Verlag, 1987), das seitenlange Kommentare zu den Gedichten in die Gedichte miteinschließt und für den sie 1988 den Peter-Huchel-Preis erhielt, oder Übersetzungen von Marina Zwetajewa, Oleg Jurjew und Olga Martynova.
1994 erhielt sie die Rahel-Varnhagen-von-Ense-Medialle, als Lyrikerin und als Persönlichkeit, die sich um das literarische Leben in Berlin verdient gemacht hat.
2019 verlieh ihr Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Bundesverdienstkreuz mit der Begründung: „Mit ihrem legendären Eigensinn, ihrem Sprachwitz und ihren originellen Wortschöpfungen ist sie auch heute gerade jungen Dichterinnen und Dichtern Inspiration. Elke Erb gehört mit ihrem umfangreichen Werk zu den bedeutendsten zeitgenössischen Lyrikerinnen deutscher Sprache, die in einem experimentellen Geist das Formenspektrum immer wieder erweitert hat.“ Im Jahr 2020 wurde ihr der Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehen.