Tagesboten
Die Jury hat entschieden!
Die Gewinner*innen werden bald bekannt gegeben.
Die Jury hat entschieden!
Wettbewerb im Juli 2022
Schreibt ihr eigentlich Tagebuch? Ganz klassisch auf Papier oder digital in einer App? Oder möchtet ihr eure Erinnerungen in Zeiten von TikTok und Instagram lieber per Foto und Video festhalten? Was macht eure Tage aus, abseits von Stundenplänen und Hobbys? In diesem Monat möchten wir gemeinsam mit euch schauen, wie sich Tage poetisch festhalten lassen!
Mit Apps wie „1 Second Everyday“ könnt ihr Clips von eurem Leben erstellen und jeden Tag einen Videoschnipsel oder ein Bild speichern, der/das für euch besonders war. Wie es aussehen kann, wenn man ein Jahr seines Lebens als Film sieht, könnt ihr euch in dem Video links anschauen. Ein ganzes Jahr Leben verdichtet in 365 Sekunden.
Mit dem, was Tage ausmacht, beschäftigt sich auch das Gedicht, das wir euch diesen Monat als Inspiration vorstellen möchten. Genauer gesagt präsentieren wir euch kein in sich geschlossenes Gedicht, sondern nur einen winzigen Ausschnitt aus einem poetischen Tagebuch. In dem Auszug aus Terje Dragseths Gedichtband „Bella Blu“, den ihr weiter unten findet, könnt ihr die Beschreibung von sechs Tagen lesen. Dragseth hält etwas Charakteristisches für jeden Tag fest, mal ist das eine Beschreibung, mal eine Frage, mal nur ein Detail, mal eine Reflexion. Der ganze Text beinhaltet übrigens 1.299 Tage und zeigt damit, dass Gedichte auch sehr, sehr lang sein können.
Im Juli rufen wir euch auf, eure Tage lyrisch zu beschreiben! Schickt uns einen Tagebucheintrag in Gedichtform! Ihr könnt einen Tag, aber auch mehrere festhalten. Überlegt euch: Was hat die Tage ausgemacht, wenn ihr genau hinschaut? War es ein Satz, der gefallen ist? War es ein Ohrwurm? Eine Idee, die ihr hattet? Wie wäre es zum Beispiel aufzulisten, welche Clips ihr euch angeschaut habt, oder was jeweils euer erster Gedanke nach dem Aufwachen war? Und wie vielfältig oder gleichtönig kann eine bestimmte Zeitspanne sein? Wir sind gespannt, was euch einfällt und wünschen euch schöne, kreative Sommerwochen!
Tag 44 Geräusch menschlicher Aktivität in geschlossener Kabine. Eine Lampe wird angemacht. Ein Stuhl federt.
Tag 45 Wände sind von Eis bedeckt, Eis zum Abkratzen. Wischer aus hartem Gummi. Nächte langsam wie Jahre. Ein Jahr und ein halber Tag vergeht. Tage mit Eis, Körper mit Nadeln.
Tag 46 Wir verschwinden die Leiter hinauf durch den Luftschacht. Observationen, die wir mit der Besatzung teilen.
Tag 47 Nebel kommt nach der Staubwolke. Nach Staub Nebel. Wer ist für die Ruinen verantwortlich?
Tag 48 Apfelsine tut den Augen gut. Sagen alle, die sehen können. Das Orange rinnt über die Hände des geometrischen Mädchens. Nachtbote lauert in den Schatten, Hund mit selbstleuchtendem Fell steht plötzlich still.
Tag 49 Steine rollen vom einzigen Berg hinab. Einst (rollt der Stein). Brot beinhaltet alles, was wir wissen.
aus: Terje Dragseth, Bella Blu. Handbuch für den Weltraum.
Aus dem Norwegischen übersetzt von Tone Avenstroup und Bert Papenfuß.
(c) 2019 gutleut, Frankfurt am Main
Weiterführende Informationen
Terje Dragseth
Geboren 1955 in Kristiansand, ist ein norwegischer Dichter, Autor und Filmregisseur.
Seit seinem ersten Gedichtband 1980 hat er dreizehn weitere Lyrikbände veröffentlicht.
Nach seinem Studium zum Filmregisseur in Kopenhagen von 1983 bis 1987 hat Dragseth auch bei mehreren Kurzfilmen Regie geführt und poetische Werke von Laura Riding Jackson und Leonard Cohen übersetzt.
Die Übersetzung von “Bella Blu. Handbuch für den Weltraum” aus dem Norwegischen durch Tone Avenstroup und Bert Papenfuß wurde 2020 von Nico Bleutge auf die Liste der Lyrik-Empfehlungen 2020 der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung gesetzt.