Warum gestern Nacht
Die Jury hat entschieden!
Die Gewinner*innen werden bald bekannt gegeben.
Die Jury hat entschieden!
DAYS
HOURS,
MINUTES,
und
SECS
[[deadline:2023-08-31 24:00:00]]
Wettbewerb im August 2023
Warum ist der Himmel blau? Weshalb gibt es Ungerechtigkeit? Was passiert mit uns, wenn wir sterben? Wir wollen Erklärungen, Absichten und Zusammenhänge. Nicht umsonst ist die Warum-Phase von Kleinkindern gefürchtet, denn auf Vieles haben auch Erwachsene keine (klare) Antwort. Einige Antworten können wir uns anlesen, auf andere gibt es einfach nicht DIE eine Antwort. Diesen Monat möchten wir mit euch das „Warum?”, das „Wann?”, das „Wie genau?” beleuchten und bitten euch um eure Fragen – und vielleicht auch Antworten – in Gedichtform!
Zuerst einmal ist Gehen einfach nur eine Art der Fortbewegung. Wir können schnell gehen, langsam, barfuß, über die Straße, auf und ab und vieles mehr. Oft assoziieren wir mit dem Gehen aber auch direkt das Weggehen. Wie ist es, wenn man eine Situation, einen Ort oder auch eine Person verlässt? Aus welchen Situationen „muss man einfach“ gehen? Mit welchen Gefühlen geht man, wenn man zum Beispiel die Freundin oder den Freund im Streit verlässt oder wenn man von einem Treffen nach Hause gehen muss, obwohl es gerade richtig gut ist? Welches Gepäck, gepackt in einem Koffer oder auch gedanklich in Form von Emotionen, nimmt man mit, wenn man losgeht, ob freiwillig oder unfreiwillig?
Das Bild, das ihr rechts seht, öffnet viele Gedankenräume rund um das Aufbrechen von einem Ort zu einem anderen. Ihr seht auf dem Foto einen Ausschnitt aus einer Ausstellung der japanischen Performance- und Installationskünstlerin Chiharu Shiota. Zahlreiche Koffer hängen an roten Schnüren in der Luft. Was wohl in den Koffern ist oder war? Welche Geschichten erzählen sie von den Menschen, die mit ihnen gegangen sind? Wie wirkt es, wenn das schwere Gepäck plötzlich schwebt?
Einen weiteren Blick auf das Gehen möchten wir euch mit dem Gedicht „die kunst darin straßenkatzen nicht aufzuwecken.“ des Lyrikers Nail Doğan geben. Auch in diesem Gedicht wird das Gehen von ganz unterschiedlichen Seiten beleuchtet, vom „einfachen“ Losgehen bis hin zum Fliehen. Und es wirft die Frage auf, was man macht, wenn man zum Gehen aufgefordert wird, vielleicht sogar auf ziemlich verletzende oder provozierende Art: „Wenn jemand sagt, verpiss dich. Musst du unbedingt gehen.“
Schickt uns im August eure Gedichte rund um das Gehen! Überlegt euch, wer in eurem Gedicht geht, wohin sie*er geht und warum sie*er geht? Was nimmt sie*er mit? Packt sie*er einen Koffer? Welche Gedanken begleiten sie*ihn? Oder nehmt die Perspektiveeiner*eines Zurückgebliebenen ein: Was hinterlässt, die Person, die gegangen ist? Wir sind gespannt auf eure Einfälle und wünschen euch viel Spaß beim Dichten!
die kunst darin straßenkatzen nicht aufzuwecken.
Nail Doğan
Kann der Mensch seine sieben Sachen zusammenbinden an einem Seil.
Der Mensch stopft alles mit dem rechten Fuß in den Koffer. Der Mensch wirft
Tülldecken aus einem Doppelfenster. Der Mensch kann aufstehen, losgehen,
schneller werden, auf das Klatschen verzichten, aussteigen, nie wieder
ein Name an der Klingel. Unter Weinblätter Vermisstenanzeige. Über der
Nachzahlung Weinblätter. Brennt hinter dem Schuldschein gelbes Leihhaus.
Du musst dringend weitergehen. Eine Linie. Tausend Stifte. Eine Linie.
Ausgemagert. Gehen. Fliehen. Freiheit. Große Wörter. Hier nichts verloren.
Kleine Taten. Eigentlich sitze ich noch in Bodrum fest. Im Teehaus. Neben Padre.
Will wissen, warum so eine übertriebene Menge Alkohol. Warum gehetzt. Warum gestern Nacht
passiert was gestern Nacht. Warum prügelt sich sein Sohn. Warum die Blutkruste an der Lippe. Warum tragen Nachbarn mich ins Bett. Warum kostet Tee eine Lira. Warum öffentliche Toiletten zwei Lira. Gitmek. Tante Vater nie weinen gehört. Hat dann. In der Nacht. Am Telefon.
Wenn jemand sagt, geh. Musst du gehen. Wenn jemand sagt, verzieh dich. Musst du gehen.
Wenn jemand sagt, verpiss dich. Musst du unbedingt gehen.
aus: Nail Doğan, Ausgeliehene Suchtwörter. Gedichte,
Elif Verlag, 2023
Weiterführende Informationen
Nail Doğan, geboren in Augsburg 1988 als Sohn eines Gasttaxifahrers und einer Gastputzfrau. Lebt in Hamburg. Kaut Fingernägel. Hält sich über Wasser. Schreibt.