Unsere Gewinner*innen im August 2025
Wettbewerb im August 2025
Die Katzen des Djemaa el Fna
Moritz Heidobler
2006
Wenn der Platz, ganz finster,
leergefegt und still liegt, langsam
der Duft von Fisch und Fleisch ermattet
der Klang von Qraqeb und Ghayta verhallt
und aller Lärm, den Zweibeiner erzeugen, versandt ist, wagen ein paar hundert
gelbe Augenpaare, ungesehen schleichend,
Schritte voll Eroberungsgedanken in die Nacht,
tasten sich vorwärts, mit Acht,
prüfen die verwüsteten Flanken-
Und bis die Sonne aufgeht
und ihr Schatten in den Ecken verweht,
stehlen sie, was noch da ist:
(außer ihr unermüdlicher Wille)
Brot, Staub und die fragile Stille.
Le petit matin
Charlotte Obenaus
2005
Der Morgen geht geduckt
unter der Nacht, noch ist der Goldfisch
im Fenster des Sichuan-Bistros
nicht orange.
Die Ampel schaltet.
Ich bleibe sprachlos
gegenüber dem, was wirklich zählt.
Es gibt zwei Postämter:
Wenn es nicht regnet, gehe ich zu dem am Park;
wenn es regnet, gehe ich gar nicht.
Es ist donnerstags. Ich gehe geduckt
unter dem Morgen, der Goldfisch
im Fenster des Sichuan-Bistros
ist orange und noch immer
namenlos.
Der Flügel
Anna Alexandra Richter
2006
schlag wechselspielend
in Höhenlagen. Es liegen gespannt
Linien aller Netze
wie Notenlinien – Straßen; Bahn; Oberleitung
zwischen
hoch; tief; lang – kurz tausend Kreuze
und eine Pause dann
in b
trachtung höherer Schwingungen
folgt aus flügelschlagenden Bögen
grauschwarzer Schwingen
die Melodie einer Stadt.
von beileidsbekundungen bitte ich abzusehen
Katharina Scheipner
2005
wenn nachts die füchse in die stadt kommen und ich allein mit ihnen bin, erzähle ich ihnen all meine geheimnisse. ich berichte ihnen von der erkenntnis, dass er nicht zurückkommen wird und dass ich liste führe über alle ereignisse, die mich von der idylle getrennt haben. die meisten leute sind mir fremd geblieben; er nicht. ich verrate ihnen seinen namen und sie tragen ihn fort, bringen ihn in den wald, um diskretion bemüht. morgen werden sie hinter den müllcontainern eine séance abhalten und flüsternd darüber beraten, wie man mich trösten kann.
Kein Bock, nur Schaf
Anna Ida Shklyaver
2006
An meiner bewusst-robusten Türangel baumelt ein guter Fang
—> ein prächtiger Silberfisch
und während wilde Züge ihre Bahnen ziehen
und überfahrene Zebras streifen durch verlassene Chausseen
(auf der Flucht vor schwarz lackierten Jaguaren)
ziehe ich eine in die Bewusstlosigkeit getriebene Maus über meinen Schreibtisch
—> kein Schwanz, da kabellos
Es wimmelt nur noch von BratHühnchen im Eicafé meiner Wahl
(unverschämt!)
Die dem Staat ihre Unabhängigkeit erklären
(Da Freilandhaltung!)
Und zynische Pferde verkünden
der Ponyhof sei doch kein Leben
und man hätte im Meer bleiben sollen
vor 460 Millionen Jahren
Ausläuten meiner Täubchen
Carolin Simon
2004
Deine Katze riss meine Singvögel,
zerrte sie vor deine Türschwelle.
Verbliebenen Odem hauchend, entschlafendes Gurren
Verkehrter Vogelzug
Die martialische Jägerin im Schnee
Unter gewetzten Krallen ratscht knirschendes Chitin.
Arglos aufgetreten, ein Maikäfer zersprang
Ein flaumiges, leeres Nest auf meinem Balkon.
Taubenei, das zu Boden fällt;
ebenfalls zersprang
Fauchender Raubzug:
Die Straßenzüge sind Grabstätten
Gefieder die Leichentücher
Die Klänge, die meine Täubchen säten
Sie sind auch erkaltet
Krallen kerbten ihr Fleisch
Ihre hellen Knochen freigaben
Ich war Zeugin, dir den besten Dank!