Unsere Gewinner*innen im September 2024

Wettbewerb im September 2024

Lichtwesen

Carlotta von Falkenhayn

2007

Du bist einfach aufgetaucht 
Auf weißen Flügeln in mein Leben gerauscht 
Hast zu mir gesprochen in süßen Tönen 
Die nun immer lauter dröhnen 
Ich kann dich nicht verstehen, nicht entziffern 
Muss nachts grübeln, muss tags zittern 
Doch ich liebe diese Stimme 
Und du raubst mir alle Sinne 

Du schlägst Saltos in der Luft 
Und verströmst den Sonnenduft 
Der sich anfühlt wie zu Hause 
Doch trotzdem zweifle ich und zaudre 
Du lässt mich stehen, fliegst empor 
Hoch hinauf zum Himmelstor 
Ich versuche dir zu folgen 
Doch deine Federn sind zu golden 
Blenden mich mit ihrem Licht 
Wie ein weiß-gelbes Gedicht 

Du bist ein Rochen im Wolkenmeer 
Gleitest mühelos umher 
Dein Körper gänzlich ohne Kanten 
Kann einfach so den Wind einfangen 
Wie eine große weiche Decke 
In der ich mich so gern verstecke 
Manchmal kommst du dann zurück 
Willst mich mitnehmen, nur ein Stück 
Und ich steige auf deinen Rücken 
Halt mich fest und will dich drücken
Doch du bewegst dich wie ein Hecht
Und von den Manövern wird mir schlecht 

Manchmal sehe ich dich fallen 
Höre deine Rufe hallen 
Voller Leid und voller Trauer 
Denn dein Flug ist nie von Dauer 
Dann stürzt du ab auf diese Erde 
Ein Verlust für alle Sterne 
Und deine Dunkelheit wird sichtbar 
Da wo vorher dein Gesicht war 
Quillt die Schwärze nun hervor 
Öffnet sich dein Tränentor 
Und ich eile, schenk dir Trost 
Zieh deinen Kopf in meinen Schoß 
Streich die Federn, nun ermattet 
Doch du liegst da wie bestattet 
Kommst nicht hoch, nicht zum Stehen 
Denn auf Flügeln kann man nicht gehen 
Kriechst ganz langsam von mir weg 
Schiebst die Schwingen durch den Dreck 
Doch ich lass dich nicht zurück 
Hiev dich hoch, Stück für Stück 
Trage dich zum größten Berg 
Bringe alle Kraft zum Werk 
Bis wir an der Spitze sind 
Und plötzlich spürst du frischen Wind 
Segelst einfach so von dannen 
Und verschwindest hinter Tannen 

Ich würd alles für dich geben 
Meine Liebe und mein Leben 
Und es wird alles egal 
Unter deiner Sonne Strahl 
Denn ich liebe dieses Licht 
Ohne Sterne kann ich nicht 
Und ich weiß du fühlst nicht so 
Gibst statt Gold nur gelbes Stroh 
Und du willst dich an mir zehren 
Keine Feder mir entbehren 
Nutzt mich aus für meine Kraft 
Die dich rauf zum Himmel schafft 

Und ich weiß, ich werde trauern 
Meine Liebe sehr bedauern 
Doch ich kann nicht von dir weg 
Und bleibe Mittel zu deinem Zweck 
 

… Lot

Luis Haag

2008

hohl fällt die tür auf die morsche lattenwand 
so leblos rauscht salziger sand durch die lattenritzen 
und die schlieren auf den scherben verblassen ganz latent 
böen beißen durch die fasern bitterböse, milde einschläfernd   
sein triefender kadett kommt noch wandlungsfreudiger hervor, kriecht empor 
lianen ziehen ihn an, auf den altar, die finger akryl behaftet, teilen die welt in zwei 
nur einmal da und schon genug, keine beweisnot , klar bist ja da — 
spitze nadeln treffen ihr ziel passgenau, seine seele trägt 
keine wunde, leckt kein blut, heilt die sünde 
mammamia, trägt zur ruh, unberechenbar 
in memoriam, zuvor war nicht alles im… 

pressfliegen

Angelina Pawlik

2005

Parasiten pressen sich in alte  
Pumpernickelscheiben mit grünen,  
haarigen Schlieren, die sich um das Brot schmieren, um die körnige Flut aus  
gepressten Parasiten.  
Es sieht aus wie Pumpernickelscheiben,  
Es riecht nach fribrigem Gefiech im Eitersee, nach krustigem Gesolch.  
Flüchtende kleine Fliegen, zwischen kriechend nass gepressten  
Parasiten.  
Parasiten auf einem Haufen, der an die Wand geworfen, dort stecken bleibt.  
Pumpernickelscheiben und körniger Schrott, ein Tritt, und es klebt, zieht sich lang herab und verkachelt sich. 
In mich, mit mir.  
Dieser Pumpernickelhaufen aus gepresstem Papier, aus gepressten Parasiten. 

Tod bei der Hand eines Gottes

Liane Chacon Reyes

2007

Die Nacht ist dunkel 
und die Luft kühl. 
Der Herbst hat sich angekündigt, 
ist aber ziemlich schnell gegangen 
als er die traurige Nachricht erfuhr. 
Die Sterne flackern 
und der Mond hängt gefährlich niedrig, 
als möchte er zuschauen, 
bei dem letzten Akt seines Partners. 
Ja, die Sonne hat ihren rechtmäßigen 
Platz eingenommen, 
nun sieht sie aus wie der Feuerball 
der sie ist, 
doch die Nacht ist kühl 
und die Luft dunkel. 
 

Es macht sich ein Loch auf, 
in meinem Herzen, 
ein Loch da, wo die Zukunft sein sollte, 
ein Loch so unendlich 
ich schrei hinein und kein Echo kommt heraus, 
das Ende schreit herein und bleibt auch drin. 
Ja, der Feuerball redet! 
Sie murmelt unsere Sünden, 
alle auf einmal und spiegelt dumpfe Stimmen. 
Die Sonne redet, doch darauf haben wir 
doch eigentlich gewartet. 
(Zumindest sterben wir mit Spektakel) 

mooresungeheuer

Anna Thommes

2005

moor, schweig 

ausatme aus methanhöhlenlöchern 
beim betretenen beschwingen denn 
unter verhangenem blättervorhängen 
lässt sich nicht hängen, du 
abreißfangen reißt nicht ab sondern 
tastet voran 
nackte füße fast faulig kalt im morast 
phantast_ 
ik bauen wie 
wasserschlammdecken rauen zwischen 
pflanzenketten fließen schwimmen 
wenig nebeligen vor den letzten sonnenlichtern 
die die luft gelblichen bis ent_ 
deckt ist, knackt. 
da ist – 
monstrum. 
ungetüm und duden. 

und du ungeheuer 
schlafend mit mündern mit stahlenden blutenden  
stellen und innen verbogen 
bezwängt beschnitten auseinander_ 
gesogen 
in kleinkindschuhen gehängt an vorhängeschlossen. 

lufthaltend röhrend atemwendend lauten 
händemassen die fädeln zwischen rostenden 
altpronomen 
lieber weiter schnüffelschauen 
scheuen stehen sinken mit den 
zehen in den schlick und weiter mit 
mit dem knurren während 
moore kehlen enger schnüren. 

dann kommt da_ 
zu ein flüstern bis 
querende gedunsene körper mehren völkern 
pressen sprech und sagenfreiheit um das 
monstrum 
während sumpf sich sinkt und lullen lässt 
flitter finster seide wird und 
ungetüm an sprech und texte schmiegt 
revolutionäre wanderung in münder dringt die  
auf einmal ander_pendel schränken 
kröten hälsen weichen 
hände an die felle hängen mit den 
stimmen die von rechten drängen morsche werden 
du in schlamme senken – 

sicht schwimmt. 
flimmert in dein er_ 
stricken und ersinken 
 
uner_ 
kennbar stic 
kt es schmal falsch klein und 
alles  
all 
es sprache se_ 
i 
n. 

 

Im Menschenzoo

Daniel Zahn

2006

Seid gegrüßt, verehrte Gäste! 
Neueröffnung eines Zoos. 
„Es erwartet Sie das Beste, 
unser Angebot ist groß! 
Fleißig haben wir getüftelt, 
stets Genome präpariert, 
und die Exponaten-Bündel 
nun exhibitioniert! 

Gleich am Eingang ein Gehege, 
dort ein Schmetterlingsmutant. 
Wie von einem Belvedere 
blicken wir auf den Gigant. 
Sein Gemach ist voller Spiegel, 
die er selbstverliebt beäugt. 
Links von ihm fächelt ein Igel 
Luft ihm zu und bleibt verbeugt. 

Mit enormem, stolzen Schnabel 
setzt sich unser Rundgang fort: 
Es gibt kund, immensurabel 
laut, ein Hahn sein Männerwort. 
Rundherum die Hühner spotten 
über diesen lauten Protz, 
der posaunt, wie aus Fagotten, 
leeren Patriarchen-Rotz. 

Nächster Halt: Die Panzertiere, 
denen man den Schutz geraubt: 
Schildloskröten wurden ihre 
Panzer gänzlich abgebaut. 
Sie erleiden Paranoia, 
es bewegt sie ihre Wut. 
Als Ersatzschutz vor Auweia 
tragen sie nun Aluhut. 

Pferde stehen in der Reihe, 
letztlich kommen wir zum Stall. 
Manche tragen, wie Geweihe, 
auf der Stirn ein Horn zentral. 
Wer schon Einhorn ist, wirkt feiner, 
wer noch Pferd ist – ausgegrenzt. 
Es entsteht inmitten einer 
Gattung eine Divergenz. 

„Dieser Zoo ist atemraubend! 
Die Besucher sind beglückt. 
„So was kann man gar nicht glauben! 
Dieser Zoo hat sie entzückt. 
„Sachen gibt’s – die gibt’s ja gar nicht!„, 
ruft’ne Omi lachend aus. 
Ich bin ganz anderer Ansicht: 
Sachen gib’s – die gibt’s durchaus. 

 

Schreibe, um zu träumen.