Unsere Gewinner*innen im Februar 2020
Die Jury hat entschieden! Im Februar waren „Wölfe auf der Suche nach Freunden“: Ungezähmtes, Natur, Einsamkeit, Freundschaft, Liebe, und viel Märchenhaftes – in persönlichen, aber auch gesellschaftskritischen Tönen habt ihr euch dem Monatsthema genähert und es für euch gedeutet.
VOID LOOP ();
Scheinwerfer werfen böses Licht auf mich
tanzende Lügen schwimmen darin; prallen von mir ab
Was sind das für Freunde,
wenn die Lügen nicht mehr gelogen sind,
sondern wahr?
Getippte Worte; wutentbrannt
eine Nachricht nach der Anderen
kräuseln sich vom Bildschirm; alles Lügen
schmecken nach Feuer; tun mir weh,
als sie meine Lippen verbrennen
bin doch so treu gewesen!
VOID LOOP ();
sich alles dreht im Kopf
die Computertasten fröhlich leuchten
Wolfsaugen, bunt, wie Regenbögen
nur die Wut glitzert rot
Meine Tatzen wütend schnauben,
als sich die Einsamkeit noch fester zieht
Die Sterne an der Decke
fallen in meine Augen
Dunkelheit verblinzelt sie
fließen mit den Tränen
auf das Kissen; versinken darin
Rot-karierte Karten stapeln sich zum Himmel
alle mit einem Vorhängeschloss versiegelt;
die rote Farbe fällt
mit Erinnerungen betitelt durch meine Finger,
während der Kartenhaufen schmilzt;
das nachhallende Lachen der Momente verstummt
VOID LOOP ();
sich alles dreht im Kopf
der Computerbildschirm flackert;
buschiger Schwanz eingezogen, schniefende Schnauze
dicke Tränen schreien Versagen,
während das Kissen meinen Frust auffängt
Der Regen meiner Tränen
durchbricht die Seidenhaut des Kaffeeschaums
fegt den Vorhang zur Seite;
die Milch nun durchscheint
dich dunkel verfärbt, wie mein Gefühlsspiel
Trostkaffee, so nenn´ ich ihn!
Glasige Augen, schau ich nach vorne; fest umklammert
Nicht sehende Formen, Szenarios: Was wäre, wenn …
Konturen werden schärfer, fokussiert
Die Vernunft wird zerbissen; scharfe Zähne
Was wäre, wenn der Wolf die Überhand gewinnt?
Meinem Schatten wachsen spitze Ohren
die Muskeln unter dem Fell spielen miteinander
Nase gen Himmel, die Sterne mischen sich mit dem Klagelaut
Ich bin auf der Suche nach Freunden
VOID LOOP (); schon wieder
Ufer
über deine Handrücken ziehen sich Furchen. Sie klaffen so tief, dass ich mich hinenlegen kann. Die restliche Haut ziehe ich über meine Knie und betrachte ihre roten Flechten. Wenn man dem feinen Geäst deiner Kapillare nachsieht, führen sie zu silberblauen Venenbergen. Die ragen hoch über deine Knochen hinaus und pulsieren lauwarm. Wenn man sie besteigen möchte, muss man seine Füße fest in die Poren legen und sich kräftig abstoßen. Pore für Pore klettert man hinauf und am Ende kann man dich ganz überblicken. Die Beugen und die hohlen Rippen wie Harfensaiten wenn du atmest. Und der Widerhall aus deinem Bauch, sein Schwung über den Hals. Die Krater in den Knöcheln die mal Blut gespuckt haben, jetzt erloschen sind. Bunte Fleckenmuster grün und lila und gelbbesprengt unter deiner Haut hervorschillernd, eingezäunt von Malen und Haar. ich weiß, wenn man über deine Schlüsselbeine balanciert, dann fühlt sich das sanft an. Und wenn man sich auf deine Lider legt und zwischen den Wimpern hindurchspäht, dann sind da Träume die rauschen und die Ohren betäuben. in deinen Lungen wächst ein tiefblauer Wald dicht verästet und flüstert bei jedem Atemzug.
In deiner Wange habe ich eine Mulde gefunden. In ihr sammelt sich Licht und
fließt über dein haariges Herz.
Im maul des wolfes berechnet man keine Integrale mehr
wenn es läutet, wünschten wir, wir hätten keine ohren
weil sie anfangen zu bluten, weil ihr schall eindringt
bis wir schall werden.
aber eigentlich sind wir kinder, kinder im maul eines wolfes.
er hat borsten, an denen man sich aufkratzt.
zähne, an denen man sich blendet.
er ist riesig, größer als wir.
wenn er jault, bluten unsere ohren,
weil ihr schall eindringt,
bis wir schall werden.
aber eigentlich sind wir kinder.
er spricht in mathe, alles was er sagt ist unberechenbar.
das lehrt uns und leert uns.
er drückt wörter auf die haut. das übt druck aus, damit wir sie
einsaugen können,
doch sie ätzen wie säure
weil eigentlich sind wir dünnhäutig,
weil eigentlich sind wir kinder.
wir fragen: ei, was hast du für große augen?
damit ich euch besser durchschauen kann.
wir fragen: ei, was hast du für große hände?
damit ich euch besser begreifen kann.
wir fragen: ei, was hast du für ein entsetzlich großes maul?
damit ich euch besser fressen kann.
das sind kinder und sie erzählen vom wolf, jetzt hast du angst.
du nimmst ihre kleinen augen, damit sie nicht sehen müssen.
du nimmst ihre kleinen hände, damit sie nicht begreifen müssen.
du nimmst ihre kleinen münder, damit sie nicht sprechen müssen.
du stehst ein vorne, bist ein wolf.
du jaulst in mathe,
doch das ist unberechenbar, niemand hört dir zu.
sie haben angst.
einmal,
bleibt ein stuhl leer.
sie sagen: der wolf hat ihn gefressen.
Ihr seid kinder, sagst du. ein stuhl bleibt leer.
und du gibst dir die schuld dafür.
Im Wald: Das graue Tier mit dem roten Hut und ich
Ich liege im Wald
umhüllt von Wald
ja, der Wald schmiegt sich an mich
so rau und so kalt, voll wilder Schönheit
kein Kitsch, kein Märchen
nur eine Hand, eine mir entgegengestreckte Hand
keine Hand, eine Pfote
und doch eine Hand
wie man sie entgegengestreckt bekommt, vom fairen Gewinner
entgegengestreckt, nach kindlichem Tollen im nassen Gras
entgegengestreckt, aber auch vom zwielichtigen Autohändler, in Gewissheit, dass man die Fußmatten vergessen hat
entgegengestreckt, vom Freund, vom Helfer
nur eine graue Silhouette, im fahlen Waldeslicht, mir streckt sie entgegen
sie wird stärker, ich erblicke ein Gesicht
mit modischem roten Hut,
nicht von der Stange, vom Modist ganz gewiss
es lächelt nicht, nur seine Hand gibt er mir
Ist er mein Freund?
Er ist mein Helfer
Mein Begleiter
Meine rettende Hand
Muss er mein Freund sein?
Kann er mein Freund sein?
Ist das bedeutend?
Was ist Freundschaft?
Was ist Freundschaft schon, wenn wir scheuen sie zu definieren
und doch genau wissen was sie bedeutet?
Doch für mich
in diesem Moment
das graue Tier mit dem roten Hut
war ein Freund
…001s101t111u010m000m100…
zunge klebt am gaumen
meine stimme hängt irgendwo
zwischen sprachzentrum
und luftröhre
unbrauchbar
fingerkuppendialoge
sätze aufgelöst
in binäre gedanken
und das vibrieren
in der hand
mein neuer puls
der mich wach hält –
in der welt hält
algo rhythmisch
folgen die nachrichten aufeinander
kreisen um die eigenen themen
ohne rücksicht auf den anderen
ohne ergebnis
handykamera stanzt momente
aus der wirklichkeit
filter um filter
vergesse ich meinen körper
verstecke mich hinter
kommentaren und profilbildern
wie der wolf im märchen
der die kreide frisst
um dazuzugehören
erschütterungen im naturzustand von ein bisschen mehr als freunde
mäuse, die die heizung hochklettern
und eine nervosität, die den nagel an meinem kleinen zeh
blutig nagt.
ein p-p-p-p-poltern durchströmt mein herz
und ein pochen die wohnung.
nährung unserer tiefsten ängste
durch die beobachterrolle im spiegel gibt es ja doch
entkommen in einer algorithmisierten welt unmöglich
du ver-stellst mich
aber ich bin kein lebloses möbelstück
höchstens ein radio, das störsignale empfängt
ab und an zumindest
die heizung braucht, damit sich
der akku so schnell entlädt nicht
urteilen ohne wissen
mache es immer wieder
verletze menschen, die ich kaum
kenne, es p-p-p-p-poltert in meinem herz
und kopfrebellionswölfe unterliegen
einer näherung an bestien meines ichs
zittern du reißt das winterfenster auf dennoch
du bist nur ein tourist auf meinem körper
mein körper nicht mehr als ein
schwellengebiet
zwischen erwachsenwerden und freudentwachsensterben.
ziehst meine kleidung
und meine träume im blümchengewand aus
berichte mir über das ende dann
ein rotkäppchenmärchen,
nur mit menschen gespielt
logische chronolgien verspielt
ordnung durch computermäuse und dimensionalitätsunfall verblasst
statt steine entbrannte glückssterne im bauch
profilbilder an erwartungen angepasst
verhalte ich mich wie ermüdeter schnee stattdessen
wer ist wolf und wer wird gefressen?
Aus allen Einsendungen wurden die Gedichte von Helen Duppé, Selin Eslek, Ronja Lobner, Kilian Ruff, Angelina Schülke und Sarah Stemper als Gewinnertexte gewählt – wir gratulieren sehr herzlich!