Unsere Gewinner*innen im November 2019
„wenn zimmer kammern werden“ hieß das Thema im November. Ihr habt Texte darüber geschrieben, wie etwas vertraut wird und sich dann manchmal doch wieder entzieht. Ihr habt eigene Räume mit Worten vermessen und gestaltet. Es werden die „hügel unter dem kopfkissen“ abgefahren, „Farbpigmente fließen in die Hirnrinde“, „Emotionen sich zerfalten“ und „Aus den Regalen fallen Organe“. Ist alles „ein Aktionsraum, den wir selber gestalten“ oder bohrt
„ein stück realität in deine dünngefaltete haut“?
Das Gedicht von Caroline Danneil, aus dem die Zeile stammt, trägt den Titel „schichten entstehen so“. In euren Gedichten habt ihr Schichten abgetragen und auch wieder gebildet. Vielen Dank für alle Einsendungen!
Das Eingeständnis einer Empfindung
I
die äußere wölbung an dem kopfkissen. ein angespanntes
husten entlang der inneren träume (die verflechtung unausgelebter ideen) die puppe
schaut mit großen augen beim entlangfahren der zimmerdecke. Sie beobachtet meinen
versuch zu fliegen. in luziden träumen stehe ich auf und entferne alle spuren
einer kindheit. als könnte ich mir nicht erlauben manchmal die hügel unter dem kopfkissen
abzufahren um zu schauen ob die puppe noch da ist. ihr zögerliches lächeln der leichte aufriss
zwischen den augenbrauen das lückenlose anecken
II
ein heimliches betasten. der weiche bauch der rauhe stoff die leise stimme die ich mir vorstelle
wie sie wohl klingen mag wenn sie zu meinen tränen tanzt. Ein schichtenförmiges vertrauen in
den gegenstand der neben mir schläft (welche horizontalen manöver durchsteht er in
seinen nächtlichen wanderungen?)
III
in den albträumen die puppe mein auffangen, ein unmögliches unterfangen sich selbst zu glätten.
nur das wesen unter meiner hand die beruhigung die vollkommene hingabe und die nutzlosigkeit des eigenen verstands ich habe versagt. die luziden träume schreien danach das zimmer in einen raum zu verwandeln in dem ich teil eines fensters sein kann (und wie man daraus hinaus kommt) immer noch ein leises aufatmen wenn die tür schweigt und doch keine geballte lawine ist. aber der Teppich könnte
(IIII
ein wimmerndes kind auf dem boden und die hand gekrallt in den stoff einer puppe. die leichte versuchung darüber hinwegzuschlafen. in träumen wird nach einem anderen ort geschrien)
kunstwerk
Voll, Voller, Fülle.
Ich wähle primär Farben als ich meinen Kopf
bepinsel, mit Acryl, dann explodierte er an Fülle.
Beim Anfertigen der Kompositionsskizze ist alles so
z e rs t r
e
u t.
Intuitiv bewässre ich Borsten mit
Gespräch. Konturlinien sind gesetzt um
übermalt zu werden (Schicht um Schicht um
Schicht um Schicht). Art-e aus, Kunstwerk,
In ein Polychrom! Doch stattdessen fließen
Farbpigmente in die Hirnrinde.
Die Ölfarbe noch. Das Bild ist zu voll; muss Etwas
aus dem Ganzen reißen, um
nicht vollkommen zu sein; also kratze ich
Mit Bleistiftspitzen blaue Flecken wieder auf.
Wenn ich male, In meinem Kopfatelier, stehen Bilder
voller Klexe und Farbspritzer an der Epiphyse. mit Klebstoff bezüngelt,
damit sie sich bildet,
meine dreidimensionale Collage.
Das Gemälde ist so linkslastig.
Mein Kopf ist so linkslastig.
Manifestiert sich mehr als mir gefallen würde, will ich
Die Leinwand zerstören. Hat es zwar eine geringe Stofflichkeit,
aber zu viele Stoffe. Es fällt
nicht in den Rahmen, sondern malt ihn bunt an
& trocknet (Schicht um Schicht um
Schicht um Schicht).
Niemals könnte ich die Fläche ausfüllen,
nur Farben einmischen (schwarzgelb, schwarzrot, schwarzgelb, schwarzgelb, schwarzrot, rotgrün, schwarzrot)
aber dann fehlt strukturiertes Papier, um meine Gedanken
abzutupfen.
Wähle ich aus allen Farben alle aus.
(Schicht um Schicht um
Schicht um Schicht)
Wenn ich male, in meinem Kopfatelier, dann radiere ich
nie. Die Fehlversuche werden verschoben
ins Unterbewusst sein, da kann ich
unten
bewusst sein.
Jetzt will ich alle Farben haben. Art-e aus, Kunstwerk,
in ein Polychrom!
Voll, Voller, Füller.
durch mein drittes Auge
kannst du die Iris platzen sehen.
Das ist wahre Achromatopsie.
Mein Bild war immer schwarz, guck hin. Wenn du durch die
Pupille blickst, siehst du mich als Schwarzmalerin
mit Tinte zeichnen,
in meinem Kopfatelier.
W. AND FiCTiON
“One goes into the room — but the resources of the English language would be much put to the stretch, and whole flights of words would need to wing their way illegitimately into existence before a woman could say what happens when she
goes into a room.”
( – Virginia Woolf: A Room of One’s Own.)
ziehe eine decke zwischen dich und die welten, verstecke
sie unter stuck und dich unter ihr, wo du stille findest
nachts wenn die gr. bären zum bahnhof werden, einem angs
traum, ein aktionsraum, den wir selber gestalten, aber d
er auch uns gestaltet, den wir verteidigen und darin ver
kehren, der rein der unserige ist. wagen uns weiter vor,
werden von wärtern zu wölfen. wir erschließen uns eine s
tube, drücken uns aus: arme, gelenke hände ringen, von n
adel und faden sind sie agil, aber fahrig geworden. vier
enge wände umringen sie, weben ihnen einen saum aus haut
sodass es kaum noch einen ausweg gibt. sie versuchen, w.
ortgrenzen aufzubrechen, aber sie können nicht mehr stil
l halten: beides (ein und )ausgeschlossen, klammern mind
er an kammern und zimmern, deren lichter flimmern, es fl
ackern die lider darunter. bis jemand klopft an der türe
in der mitte des zimmers: messieurs öffnen unsere mutter
münder um 1 millimeter. jagen iacere, grammatik über gen
italien: die unterwerfenden werfen die vorwerfenden raus
marginal bleibt vaginal im fiktional. zieht aber an rock
zipfeln und an den zitzen einer paria. chatonfassung, ge
macht aus rauhfasertapete und kleister, rahmt uns, fällt
dann bei kontakt mit wasser in sich zusammen, wie manche
gute worte das tun. von zimmern zu kammern wandern, aber
immer im ammer stranden, als die stille darin zu stimmen
wurde. wie ein womb@ müsste man wohnen, unterirdisch, so
ohne fenster und tür, mit tunneln und höhlen, nachtaktiv
und pflanzen fressend. aber diese art ist gebeutelt, die
womb@s tragen in ihren taschen steine bis auf den grund.
achso, ich bin ein gesellschaftssandwich
wenn du beim z-z-z-
zusammentackern //deiner//
kündigung
bezüglich
milchtüten //und anthropoz-
z-z-z-
än in deinen
daumen tackerst,
schichtest du.
ein stück// realität
bohrt in deine dünngefaltete
haut, es kriecht// eine
zerupfte schmogfeder
//deine//
von innen als
nebensächlich //betrachteten
//transparentpapiernerven//
diagonal taumelnd
entlang
der
atmoz-z-z-z-äre
schichten, die
keinem// ihren namen
verraten,
drachengeflüster //sprechend//
ihre abgeschabten//
schuppen
bluten auf deinen
//boden// ein stück//
schreibtisch. wer
schichtet denn da//
fantasie in deine// fiktive
realität, die ohne
anstrengendes fingieren
effektiv fungiert?
nun die
papierfetzen// fetzig
eine korrespondenz
zur neurodermitis//
an deinen schultern
//erschaffen//
wir ein labyrinth
in unserer blutlaufbahn,
und aus blut werde
wasser ohne//
salz//
das vom tacker auz-
z-z-z-gehend(e)
die psychatriefenster
beschlägt,
aussinnaussinnaussinnaussinnaussinnaussinnaussinnausinn
wurde wahn,
als ich versuchte,
meine nase in
die wärmeflasche
der trächtigen hündin
zu vergraben,
platzte sie auf,
irreparabel.
aber du, das
metaebeneversuchende,
denke nicht, dass das
z für etwas
einschlafendes steht.
es kommt nur auf die spielart an,
wenn auz menschenverbindungen
auz z-z-z-atin
abflussrohre werden,
empathiespucke
zu verhocken in
lebenz-z-z-häuz-z-z-
ern, die
z-z-anfte ruinen
geworden.
Bornholmer Straße
Bornholmer Straße
„Lonely people take hotter showers to replace the emotional warmth they are lacking.“
Berlin ist wieder kalt.
So wie Berlin immer kalt ist.
An einer Rolltreppe am Alexanderplatz riecht es nach Zimtschnecken.
Freunde habe ich nur noch in der anderen Welt.
Bewunderer und keinen der mich kennt.
Alleine regnet es auf meine schwarzen Schuhe.
Klick Klack.
Zitternde Anzugträger.
Oben in der Kuppel beim großen Tor.
Tränensäcke in Büro hängen schwer.
Brillen fallen, Sekretäre schreien.
Haben schon lang kein Leben mehr.
Dunkle Augen zwischen langsamen Gestalten.
Lichter tropfen auf dich drauf.
Wenn Emotionen sich zerfalten.
Wart bis ich mir nen neuen Körper kauf.
Kleidung zerfetzt.
Schwarze Augenringe.
Kühle Miene an der Tür.
Tanz mich weg von hier.
Pillen die mich leben lassen.
Und die Realität verblassen.
Küss sie weich, auf den Ruinen.
Nackt auf der bebenden Toilette.
Werd sie nie wieder sehen.
Wie’s längst tote System.
Hänge an der Schwelle.
Endlich frei – in einer Gitterzelle.
Ringbahn Richtung Endstation.
Starrende Bildschirme leuchten
mich stumm an.
Montagmorgen ich soll schreiben.
Und mir fällt nichts ein.
Die Luft ist trocken.
Im sterilen Raum im siebten Stock.
Hab mich hochgekämpft
Will wieder runter fallen.
An den seichten Ort
wo ich noch Träume hatte.
Alles längst schon fort.
Lieg auf dieser Steineis Platte
Hier in West-Berlin.
Und wein allein.
Mein
Mein,
ein Zuhause sollte es sein
Warm behaglich, doch zu oft ploppen
Momente in denen mein, sich zusammenzieht
Verengt, die Wände zueinander rennen
Ein Wettstreit wer mehr Kraft entgegenbringt
Und ein Ich dazwischen, die Enge, die Stärke meines
Fühlend, ich, liebe versuche entgegen zu bringen
In zusammen gekniffenen Augenbrauen
Suche nach Frieden zwischen Stirnfalten
Balsam gleitet durch meine Blutbahnen
Heißer Alkohol damit sich die Wände weiten
Verbrannte Zunge die Haut blättert rot ab
Das Brennen noch hier, doch die Enge nicht verlaufen
Noch immer gefangen, was Zuhause heißen sollte
Der Schmerz lauert innen, der Druck lässt nicht nach
Vielleicht, eines Tages werde ich die Freiheit einsaugen
Tief durch meine Lungen
In meinem,
den gesamten Raum durchziehen
lassen
Wie ein Saal gefühlt ist,
doch von außen denke man an Garderobenständer
Eine zimmergleiche Sehnsucht nach Gemütlichkeit von innen
Eines liebevollen Hauses
Stets der Rückzugsort in Gedanken
Doch nur ein Balken aus Schmerz
im Rücken gelassen
Der wichtigste Prozess unterbrochen
Erschwertes Atmen von Insuffizienz
In mir wird es weniger, vollgestopft
Aus den Regalen fallen Organe
Hänge die Augen über den Haken
Sehe noch immer wie eng es ist,
Ein niemals endendes Phänomen
Mein
Haut wird dünner und noch immer mangelt Platz
Heavy emotions und zu viel von allem
Ein Cocktail zum Brechen
Versteinert meine Innereien
Ein Hoch auf das Zuhause
Möge es für immer einwandfrei sei
Sechs davon überzeugten die Jury allen voran, wir gratulieren den Gewinner*innen: Ruta Dreyer, Ronja Lobner, Sven Spaltner, Sarah Stemper, Valentina Vapaux und Kristina Vasilevskaja!