Unsere Gewinner*innen im März 2024

Wettbewerb im März 2024

abstrakter Stern mit sechs Zacken

Lara Adam

2003

I: Der Traum 

 

Das versprochene  
„Milch-und-Honig-Land“,  
in dem Raketen  
fliegen, wie hässliche Stern- 
schnuppen. Verzweifelter Wunsch. 
Existenzrecht diskutiert  
bei Kerzenlicht. Kerzenrecht  
diskutiert bei Existenz- 
licht.  

 

II: Die Heimat 

 

Unangenehme 
Erinnerungen an die  
Vergangenheit und  
gleichzeitig die Gefahr des 
Vergessens davon. Scham und 
Stolz. Aber nichts dazwischen. 

 

III: Die Zuflucht 

 

Die Hoffnung auf Zu- 
flucht, wird zur Flucht in den Krieg.  
Es gibt keinen Ort  
mehr, an dem wir sicher sind.  
Am wenigsten bei uns selbst. 

 

IV: Der Feind 

 

Sie spielen ihre 
Macht aus und machen uns macht- 
los. Scheinheilig sein, 
mit dunklem Heiligenschein.  
Wie über Menschenleben  
stolpern und in Maschinen- 
gewehre blicken.  

 

 

V: Das Trauma 

 

Auf sechs Millionen 
Gräber Steine gelegt. Sie 
verzeihen uns nie, 
was sie getan haben. Wir 
sind ihre Narben. Die Scham. 

 

VI: Die Rache 

 

Wünsche mir Ruhe  
zurück. Kein Goldzahn um kein  
Reißzahn. Vergeben,  
nicht vergessen. Jetzt nur noch  
vergessen statt vergeben. 
Ein Auge um zwei Augen…  

2024//2052

Malak Jayeola Aderounmu

2003

aus ihren angeln gehoben gezogen gebogen die welt ist im stillen nicht untergegangen wir singen wispern schreien flüstern singen schreien weinen aus dreihundertsechsundsechzig montagen verstecken uns in den schaltjahren und finden einander in den identischen kalenderjahren die welt ist im stillen nicht untergegangen aus ihren angeln gehoben gezogen gebogen wir singen wispern schreien flüstern singen schreien weinen aus dreihundertsechsundsechzig montagen die drachen die schlangen die pferde die ziegen die affen die hähne die hunde die schweine die mäuse die ochsen die tieger die hasen die drachen die toten die kinder verstecken sich mit uns in den schaltjahren wir finden einander in den identischen kalenderjahren überlassen das sprechen der sprache lassen das reden in reimen im reinen mit sich sein wir singen wispern schreien flüstern singen schreien weinen ich habe das sagen nicht sage die dinge die ich sagen will über die dinge die ich sagen will sage ich habe das sagen nicht alles was ich sagen will ist so mühelos ausnahmslos lückenlos so aussichtslos lückenhaft so unernsthaft ich kann die widersprüche auslöffeln ich kann sie dir auf einem silbertablet servieren ich kann die widersprüche auslöffeln ich kann sie dir vor die füße spucken verbuddeln ausbuddeln runterschlucken dann wieder ausspucken weil die welt ist im stillen noch nicht untergegangen aus ihren angeln gehoben gezogen gebogen wir singe wispern schreien  flüstern singen schreien weinen aus dreihundertsechzig montagen verstecken uns in den schaltjahren und finden einander erst in den identischen kalenderjahren 

Frühling oder tausend Wege neu zu stagnieren

Oskar Eberhard

2003

Auf tranquil unterwegs; Gratismentalität, 
Spaziergang im Magnolienzauber. Falsch 
schimmernd, nämlich Populismusblüten.  
Bitte aufmerksam zu hören: Die Vogelpredigt. 

Er sprach von dem Bald-kommt-der-Sommer- 
Gefühl. Das Düstere hinterlassen, nämlich hinter  
Dir las-      sen. König der Ausreden: 
Ich bin, was ich bin, weil ich so geworden bin. 

Bitte lass den Vogel leben! Du muskulöser Schwächling. 
Blamage! In Kleidern auf etwas Entkleidetes zu zielen. 
„Leg die Waffe weg, wonach sehnst du dich, mein Kind?“ 
Belehrung; das Jetztsein jetzt sein lassen. 

„Gaia, da liegen mir andere Fakten vor.“  
Erst Gren//zen sollen Räume bieten. 
„Ich will alles, weil mein Kopf sprudelt“: 
Durchbrechen. Sehnsucht nach nie erlebter Nostalgie. 

Eine Welt ohne Namen; kein Begriff für eine Fassade.  
Wie sprechen wir (miteinander)? 
Glauben als eine Form des Zweifelns und Zweifeln 
eine Form des Glaubens. 

Schräg schauen, um die Welt grade zu sehen, aber 
gehörlos. Denn diese gehört dir nicht. 
Rausgehen und Bilder beschreiben (formlos).  
Das Leben findet draußen statt.  

Der Geruch von Regentropfen auf Asphalt, 
kühl-warm verschwommen wie gesichtslose Gestalten; 
algorithmische Schattenengel. Heimat  
in der Vertrautheit des Fremden finden: Wunderschöne  
Elegie. Heute ein Lächeln in die Welt schicken, ausnahmsweise.  
Bitte aufmerksam zu sehen: Die Natur, nämlich visuelle Musik. 

\“Geschichten, die zum Nachdenken anregen\“ oder Die Firefox-Startseite

Noa Liebscher

2006

Wer das Desaster der Welt erkennt, wird glücklich 
als ich ein kind war fror 
die spree unter unserem haus zu 
jetzt, blühen die trauerweiden schon 
im märz hängen die äste runter ins wasser kleine grüne blätter 
die den dunkelbraunen fluss küssen und 
sich so manch eine ente auf dem weg 
flussaufwärts verirrt die zweige 
ein einziger dschungel 
als ich ein kind war fror 
die spree unter unserem haus zu 
Ein Philosoph der kompromisslosen Negativität? 
ein gedicht im stil draußen
da geht die welt unter aber nicht mit 
dem sturm und peitschenden regen und 
dem laut heulendem wind der zischt 
durch jede ritze des hauses 
sondern dem schmelzendem asphalt und 
der haut die sich pellt spuren hinterlässt 
auf kleidung bettlaken boden 
Warum Weinen so wichtig ist 
das haus in dem ich geboren
aufgewachsen bin und eines tages 
sterben werde der baum 
im hof die äste bis vor mein zimmer fenster 
sichtbar vom bett und 
das neue ehepaar im fünften stock 
schick gekleidet mit dem 
dackel an der leine auf dem weg zum fahrstuhl 
gebaut für sie nur ein halt: der fünfte stock 
und die äste abgesägt die hälfte des baumes 
beim osterfeuer verbrannt 
mein bett so verschoben 
dass ich beim einschlafen nicht mehr auf 
den baum der nicht mehr ist schaue 
„Ich schlage vor, den Schlaf genauso zu genießen wie das wache Leben
gestern nacht hatte ich einen albtraum 
von der liebe 
der erzwungene die eigentlich 
faktisch gesehen keine ist 
worte wetzen mit messern 
gestern nacht hatte ich einen traum 
von der liebe 
der simplen die eigentlich 
faktisch gesehen keine ist 
warme suppe für den kranken hals 
gestern nacht hatte ich keinen traum 
weder von der liebe 
noch von etwas anderem 
nichts als nichts 
nur nichts vor meinen augen 
nichts im kopf 
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wellenbrecher

Angelina Schülke

2003

wenn die flut kommt recken wir das kinn nach vorn und verkeilen die rippen ineinander wie zum gebet STOP wir sind die wellenbrecher wir schlafen nicht STOP wir wehren dem wind den parolen aber die see ist geduldig STOP sie leckt loecher in unsere flanken und die brandmauer broeckelt das ahrtal versinkt ein virus laehmt die welt STOP wir sind die letzten kapitaene unserer art STOP wir sind menschenfischer nur ist das mittelmeer kein ort mehr fuer glauben nur wut STOP 

wenn der hass kommt wuensche ich mich an den horizont ueber dem meer wo die salzluft meine nerven beruhigt STOP wo wir nicht mehr kaempfen muessen gegen verschwoerungstheorien und gleichberechtigung STOP ich weiß die muedigkeit wird kommen STOP 

doch unser wille ist die letzte bastion STOP und der ganze ozean wird daran zerschellen STOP 

Ach, Maus (So entgegenwärtigt man Albträume)

Amely Wernitz

2003

Sie mausern sich, eingerollt vor dem flimmernden Bildschirm 
Kaffee nachts um halb drei, halb so wild, wenn sie nur 
lang genug schlafen, um die Nachrichten nicht ganz wach zu hören. 
Während sich die Festung baut, spannt sich ihr Körper in Hohlkreuz 
wieder zurück zum Mittelalter, sie spricht von Angst. 
Ich weiß nicht mehr und ich kann nicht mehr und eine einfrierende Sprache 
von Überforderung. Trinke Cappuccino und spreche über Bomben, 
die woanders fallen, Eis, das woanders schmilzt, über die Hand rinnt, 
Kinder, die woanders hungern. 
Er sagt, unsere Sprache sei nicht gemacht für diese Gegenwart. 
Eine Rationalität breitet sich aus, Alltag krallt sich ein, 
deshalb bleibt sie lange auf und schläft manchmal, 
Versuch des Eskapismus. 
Ach, Maus, ach, bleib bei dir. Und dieser ganze Achtsamkeitsscheiß. 
An der Welt festhalten, nicht in der U-Bahn, an L. 
Sie essen Fladenbrot, sprechen von Flächenbrand, ein Ringen um Hoffnung, 
mehrfach Endzeit. 
So wie jede Jugend. Lang gezogen, heute gedehnt über vegane Doppelkekse, 
über die ersten Sumpfmeisen in Brandenburg, 
ein Zurückfallen zurückhaltend. 

 

Schreibe, um zu träumen.