Unsere Gewinner*innen im September 2024

Wettbewerb im September 2024

Der Papierkorb

Veronika Frank

2009

So unscheinbar versteckt er sich in der hintersten Ecke meines Zimmers 
Seit Monaten nicht geleert 
Immer mehr Papier 

Doch irgendwann geht es nicht mehr 
Raus in den Hinterhof 
Dort kommen die Geheimnisse ans Licht 

Alte Zeichnungen landen in der blauen Tonne 
Aufwändige Projekte und zerrissene Briefe 
Schon fast verdrängt und vergessen 

Jedes Mal wieder eine kleine Zeitreise 

Mein weißes buntes Zimmer

Mylinn Goodwin

2013

das Zimmer ist weiß 
aber eigentlich ist es bunt 
weil 
die Wände und alles ist weiß 
aber wenn man in die Schränke guckt, die von außen auch weiß sind, 
sieht man alles 
und alles 
ist bunt 

sehr bunt 

und zu jeder Farbe 
gibt es auch einen Geruch 
weil 
alles riecht irgendwonach 
wie Mama nach Mama riecht 
und ich nach mir 
und es fällt einem schon gar nicht mehr auf 
weil man es so gewohnt ist 

sehr gewohnt 

und zu jedem Geruch 
gibt es auch etwas Fühlbares 
weil 
Stoff ist weich 
mein Boden ist hart 
meine Tapete ist rau 
meine Schmetterlingsposter sind glatt 
meine Kuscheldecke ist kuschelig 

sehr kuschelig 

und zu jedem Gegenstand 
gibt es auch einen Geschmack 
weil 
ein Apfel schmeckt lecker 
aber Holz nicht 
hab ich probiert 
wie jedes kleine Kind 
es mal gemacht hat 

sehr holzig 

und zu jedem Geschmack 
gibt es auch ein Geräusch 
weil 
unser Nachbar 
mäht seinen Rasen ständig 
und das hört man 
laut 
und ich bin leise 

sehr leise 

In meinem Piratenschiff

Bruno Haußmann

2014

Mein Bett ist mein Schiff, 
der Fenstervorhang weht wie ein Segel. 
Ich träume mich. 
Wohin? 
Aufs Meer. Und weiter weg.

Deckel und Türen, still the same

Charlotte Jelinek

2011

*Deckel wird aufgeklappt* 
Hab die  
Gedanken für dich  
Gebacken 
Die Seiten 
Hacken 
Kannte mich hier 
So gut 
Dich 
Mich aus 
Mich Selbst 
Auch 
Hab sie verspeist 
Hab die Seiten 
Die die 
Zeilen leiten 
Studiert 
Ungeniert ganz klar 
Die Tinte 
Die eigentlich bloß Druckerfärbchen 
War 
Roch roh und wunderbar 
Bin einfach abgetaucht 
Hab dich gekannt  
Du warst meine Freundin 
Auf Papier  
Für immer hier 
In jedem Geschreibsel 
Im Kinderbuch 
Seiten dünn wie ein Tuch 
Oder dick wie Pappenstiel 
Im Krimi 
Der Kommissar 
Hinter den Schurken her 
Das Blanke sehen 
Vor gespannten Fingern 
Schwer 
Du hattest viele Gesichter  
Namen 
Die immer aus Köpfen anderer 
Kamen 
Schöpfer 
Meister ihrer Art 
Und Meisterinnen  
Ungefragt 
Zaubern 
Einen Raum 
Die Welt 
Die jedem Beben 
Standhält 
Und ich kenne mich aus 
Könnte so sein 
Tauchte ein 
Umsehen 
Verstehen  
Wieder gehen  
Seite zu 
Buch zu 
KEINE ESELSOHREN IN DIE ECKEN MACHEN!!! 
*Deckel wird zugeklappt* 

Im Kühlschrank

Clara Staats

2014

Die Tür geht auf, das Licht geht an. 
Pfirsich-, Kirsch- und Blaubeermarmelade  
in der Ecke ein Bündel Majoran 
und fünf Flaschen Limonade. 

Ein großer Block mit altem Käse, 
daneben lehnt ne Packung Butter 
an der Delikatessmayonnaise 
und noch ganz viel Dosenfutter. 

Eine Packung Schweinewurst 
daneben frische Cocktailtomaten. 
Wasser stillt den Durst 
und Möhren, geerntet aus unserem Garten.  

Ich mach die Tür wieder zu… 
…und im Kühlschrank gibt’s ne Party: Juhu! 

Hinter der Fassade

Sarah Zeiss

2009

Und so kam der Tag und ich 
Schließe die Augen, 
Spüre,  
Fühle jede 
Mitochondrie hinaus aus 
Meinem Darm, 
Herz über Kopf, 
Wecke einen 
Tango fern verblühter Trockenrosen, hinter 
Osterdeko, Schnipseljahre 
Knall. 
Beherbergende 
Limoflasche glänzt in 
Tausend Tränen. 

Und ich laufe, laufe, laufe, laufe, renne, 
Schreie unverwandt aus 
Festgesetzter Position, Flüchling auf 
Ikeakübel. 

Ja mit geschlossenen Augen, sehe 
Blitze zucken grell erkaltet heiß die 
Netzhaut auf und 
Nieder, reißend 
Paukenschläge, sinke ein, gib 
Nach dem Platzen dekodierter 
Eingeweide. 

Denn dies ist mein Zimmer, nichts 
Kann mich beirren und alleinig trage 
Ich die Schläge, muss es jeden 
Morgen wickeln, mittags nach der Schule füttern, sorge 
Abends, dass der Fensterdämmung wieder 

Grün und 
Blau und 
Schwarz, der 
Babyflaum geschnitten wird. 

Neuer Donnerschlag bricht 
Tosend, schreit mir Natronsud die 
Luftig-zart so 
Unverkannten Engelsschwingen, taub 
Erstickend Wolkenbrüche; 
Hinter Urgroßmutters altem 
Schrank wo der 
G‚vater viele Ahnen hat 
Geholt nicht unbemerkt ihrer Fraktur, auf 
Dekofläche Möbelum lackiertem Holz zu Füßen alter 
Sterne naher Höhlen, Todtnau 
Gabril, steh mir bei. 

Doch auch die 
Wirbel schmerzendem Verlangen, 
Überbleibsel längst vergangner Wachsmaltage auf 
Tapete schlecht Verborgen unter 
Blanc d(e) Apricot der 
Jämmerlich gescheiterten OP die 
Uhren wilder Sande eingesperrter 
Geistesfreiheit zu 
Kaschieren und 
Vollkommenheit vorauszusetzen. 

Ists aber Eigenheit zu Stürzen über 
Schrammen, Spalten, Schwielen, Krücken, in dem 
Buchenholz was kleiner Luxus großer 
Zeilen hat zu Täuschen aufgetragen, suggeriert in 
Kindeshand bloß 
Delta-Pi mal x-Quadrat und 
rike 
Und Schillerstunde, weniger 
 

 

Prinzessin Lillifee und 
Käpt’n Shark hat 
Ummutiert,  
Alles nur 
Karottenbeete. 

Auf den Laken Rotze mancher kühlen 
Stunde Eisenfaust und Waffenknecht der dekadenten 
Weltzusammenbrüche hat erlebt und 
Angefochten, musste Frottee 
Ursulas Muränen, Träume über 
Lächelnde Zerfleischung, weiße, feste 
Bisse, 
Klimapolitik und 
Lires wie sie alle heißen, 
Schläge stumpf und Bodengleich in  
Totenhemden der 
Verdammnis wallen. 

Auch schmäht in der Ecke seit der 
3. oder 4. Klasse kummerkulleraugenrund, 
Panda falsch Koalaträume, wartet auf die 
Tote Pumpe roten Schaums in 
Gold und Glitzerdiamanten, Tränen 
Teeresgleicher Schlünde, Lippen 
Zähne kann bewahren, doch nun muss; 
Ausgerechnet er 
Unschuldig 
Treuster, wahrster 
Puppenhäubchen, seit das 
Schwimmen ist zur Obsession im 
Schatten giftig Neon 
Dornen Fremder wie mein 
Snuffels wird zum 
Bigmac, doch sein 
Vater hält den 
Mauerstein. 

Die Wände rau, ein Stapel  
Männerblusen das System zu brechen auf den 
Toten Eichen zwei Jahrhunderte, belegt von 
Player, Gelstift, Keyboard, Tablet, darauf 
Insta, davor 
Rollenstuhl in pink mit 
Schnitten, Fetzen, weil das 
cool und fancy war, schon in der 
1. Klasse. 

Viel zu früh hat hier gehaust eine 
Teenagerin. 
Zwischen Stapeln von 
\“Mia and me\“, \“Pixie\“ und 
\“Mein erstes Bilderbuch\“, in 
Daumensdick und Prideflags, 
Großgewachsen, Kind zu sein, 
Doch kein 
Fernseher bloß 
Lipgloss patschig Einhorntatzen 
Wollten nur, 
Unverhöhnt, 
Kika schaun nicht  
Jederfraus Vanillezucker sein. 

Ich hebe wieder unverwandte 
Scheuklappen des Lebens,  
Lächle matt, ein  
Meer verbotner Tritte auf dem 
Kunstfell von 
Amazon, 
Gezwungen einem fremden Strang zu Danken. 
Sicher 
Die Maske wird fallen. 
Irgendwann… 
Ich scheide rein 

 

Schreibe, um zu träumen.