Unsere Gewinner*innen im Oktober 2024
Wettbewerb im Oktober 2024
Grün zu Rot
Lena Krüger
2010
Baum zu Baum
grün zu rot
braun auf der Straße
Schulweg kalte Nase
Jacke aus Daun’
Bienen sind tot
Regen im Gesicht
Schulweg ohne Licht
trinke warmen Tee
Traum vom Schnee
bis dahin noch paar Wochen
die Sonne kommt wieder
sie hat’s mir versprochen
Berlin wird langsam grau
Kerze im Altbau
verbrannt am Kakao
im Nebel nach mir schau
ganzes Jahr fast vorbei
gegen Husten Salbei
Halloween Kürbis schnitzen
eiskalt sind die Fußspitzen
Kastanienkönige und Herbstgeflüster
Charlotte Machon
2010
Der Herbstwind weht durch meine Gedanken,
Er fegt Blätter durch Gassen, wie bunte Schwärme, die tanzen,
Plötzlich sehe ich vor mir meine kleinen Kinderpranken,
Während goldene Sonnenstrahlen die Felder umranken.
Ich blicke durch meine Äuglein herab,
Und fühle mich ertappt,
Meine Blumengummistiefel sind braun vom Spielen,
Sie sind dreckig von Pfützen, von so vielen.
Die Stimme meiner Mutter ertönt durch das Blättermeer,
Ich blicke auf, die bunten Bäume wiegen sich schwer,
In ihren Gewändern stehen sie königlich da,
Und verlieren ihre Blätter, Jahr für Jahr.
Auf einmal ist dort eine Hand neben mir,
So warm und weich wie mein Kuscheltier,
Ich umklammere den Daumen meiner Mutter mit ganzer Hand,
Gemeinsam gehen wir über den goldenen Waldesrand.
Auf unserem Weg sammeln wir Kastanien in Tüten,
Eicheln und ihre Kappen für kleine Hüte,
Wir erkunden den Wald,
Bewundern seine ganze Artenvielfalt,
Meine Kinderaugen sehen Eichhörnchen und Vögel tanzen,
In den Blättern wie heimliche Romanzen.
Zuhause überkommt mich ein warmes Gefühl,
Der Geruch von Zimt und Kaffee verteilt sich wie ein Molekül,
Meine Hündin kommt mich begrüßen,
Es ist. als alle wolle sie mir den Tag versüßen,
Meine kleinen Hände berühren ihr braunes Fell,
Es riecht etwas wie Karamell.
Auf dem Esstisch steht ein Apfel-Zimt-Kuchen,
Und Blaubeer-Pfannkuchen, die mich besuchen,
Meine Mutter schüttelt die Kastanien aus,
Während ich nasche, das ist ein Schmaus.
Mein nächster Halt ist mein Kinderbett,
Die Blätterfarben schimmern von draußen wie ein Amulett,
Ich kuschel mich ein,
Umgeben von Liebe und fühle mich rein.
Das Flüstern der Bäume und der Zimt an meinen Händen, tragen mich sanft fort,
An einen ganz besonderen Ort.
Nur meine Kindheit gibt mir Halt,
Denn mit ihr werde ich zusammen alt.
Rhodos reloaded (weil der Herbst hier schon vorbei ist)
Tonda Montasser
2011
I
Am Tag Hinterland-Ausflüge,
20 High-End-Lost-Places,
vor allem faschistisch.
Alles, was ich sehe,
ist längst verloren,
kein Ort, nur Ruine.
Vielleicht bin ich gezwungen
mich zu beschweren,
wenn die blöden Touristen (wie ich selbst)
ihre Handylichter im Tunnel anhaben,
wo es doch dunkel sein sollte.
Dark tourism-Versprechen,
gebrochen.
II
Ziegen tauchen auf,
in letzter Abgeschiedenheit,
akrobatisches Blätterfressen,
Medaillen für Einsamkeit.
Wenn ich atme,
riech ich Chlorwasser
und die letzten Partikel
Mussolini-Villa.
Faschistischer Geschmack,
zuverlässig enttäuschend:
Auch da nur ein Badezimmer
für jedes Gästezimmer,
und ein riesiger Brunnen,
dessen Blüten herabragen.
Graffitis für den Weltfrieden:
Ende den Anfang.
Und alles gestohlen,
selbst die Villa.
Faschistische Architektur, billiger
Abklatsch von einem alten
Auch-schon-Abklatsch,
pompös und porös.
III
Abends Augen schwer vom Sehen,
orange-red wie Gaslaternen,
Zirkumorbital-Ringe drum,
Rücken vorm Spiegel,
als hätte ich
eine Metamorphose durchgemacht,
Gesicht kraterreich,
Hände manisches Zittern.
Suppentüten-Umschreibungen
für Kohlenhydrate, Zusatzstoffe,
Essen ja, aber immer fehlt
irgendwie Salz.
IV
Ich stress mich durch die Tage,
brauch Auszeit vom Urlaub,
sonst leg ich mich am Ende
nur hin und denke nach,
warum ich hier bin.
Hitze ja, aber immer fehlt
Irgendwie Sommer. Oder:
es ist ein warmer Herbst,
und vielleicht
bin nur ich kalt wie Touristen.
Oder dass meine Mutter mich
Salzwasser-Waterboarded („Spaß“)
und es eine Agonie ist,
meine Augen aufzumachen.
(„Aber schau, der Strand ist so schön“.)
Nachts gehe ich durch Straßen,
in denen nichts passiert,
außer Katzen.
Wenn ich aus der Dusche steige,
ist das erste, was ich sehe
von den engen Wänden krabbelnde
Insekten=Kerbtiere,
mit einem riesigen Überlebenswillen,
die ab und auf durch den Nebenraum
sich entspannen.
Erinnert an Urlaub mit Eltern.
Und am Ende lachst du darüber
Denn das alles war der Witz,
Vielleicht ist dieses Einzimmerhaus
neben der Ruine und dem Lost Place
schon alles. Salz und Leere,
und du warst mittendrin,
mit nur einem Gedicht:
V
Wo die Hornissensonne
bald einen töten wird,
Insekten sich vollsaufend
ertrinken,
holst du Wespenwasser
von der faschistischen Wasserquelle.
Die alten Herrschaften sitzen
mit Fliegenklatschen
vor der Taverne, einsam,
denn kein Insekt
wird kommen,
das sie erledigen könnten,
nur Winter.
Zeit_Herbst_Los
Mona Ilena Schlegel
2010
Die Hortensienblüte in der Vase ist verschwunden vor den ockerfarbenen Backsteinen.
Atemdunst wird salzig und nach teichenden Monetblättern ins Treibholz geritzt von der Kälte zwischen uns, die golden ist von den Blättern in der Allee.
Im Garten leuchtet die allerletzte Schwester der Unsichtbaren auf der anderen Seite der Kälte. Unschuldig weiß-grün.
Auch über das Gelb der Alleeblätter hat sich ein Schatten gelegt. Das Strahlen ist vom Regen ins Meer gewaschen worden.
Eines der Blätter krümmt sich vor mir unter seinem Raureif. Er splittert beim Gelächter einer Krähe, das nach warmem Brot schmeckt.
Der harte Schrei der Wandergans. Dann noch härtere Stille im Flügelschlagen eines Zugvogels.
Der Herbst ist nur die Bezeichnung eines Geruchs, eines Gefühls des Davors. Des Bald–aAnkommens, des Wissens es-ist-bald-geschafft, bis endlich der nächste Halt auftaucht und es Winter geworden ist.
Eine Hommage an den Herbst und seinen Zauber/ Poesie auf einer Crobag-Tüte
Pina Schulze
2010
Ich erzähl den Leuten nichts mehr- ich weiß gar nicht wieso, aber irgendwie ist mein Leben gerade so viel in Mathebüchern, Bäumen, Himmeln, Zimmern und Mama hat gesagt, dass das Leben ohne Oma nicht mehr so lebhaft ist & auch viel hetziger. Nie die Pausetaste sondern immer nur Play, ich weiß auch nicht – alles zieht so an einem vorbei, und ich habe das Bedürfnis zu sprechen verloren, es wurde vom Schreiben übernommen.
Auf dieser Tüte steht alles, was mich beschäftigt
Auf dieser Tüte steht alles, was mich beschäftigt
Es soll überhaupt kein Angriff sein – aber fühlst du dich manchmal ausgeschlossen? Ich versteh dich und weiß, das tut weh, aber irgendwann wird es anders sein, versprochen, schau mir in die Augen und lass dich drehen, schau auf das Rosa & Blau und spül das Glück in dir hoch
Weil die eigentliche Aufgabe der Blätter nicht ist, am Baum zu hängen, sondern am Boden zu liegen, zu wispern und die Menschen zum Leben anhalten
Meine Augen wissen nicht mehr, wie man sieht / deine Flügel sind nass, du kannst nicht mehr fliegen
Hi, mein Name ist Jane Mecker / Hi ich bin Jane Mecker
Hi, ich heiße Pina Schulze/ Ich bin Pina Schulze und Jane Mecker
– Hör einfach den Blättern zu, dann weißt du, wer du bist
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auf dem Schachfeld nicht mehr Blätter spielen sondern Figuren
Weil die Musik der Welt Poesie verleiht/ Anne with an E sieht sie auch – die Schönheit dieser Welt
Der Herbst hat etwas total Poetisches, sage ich zu dir
Und während ich auf meinem ozeanischen Rücken liege, und die Wellen über mir brechen, begegnen mir die Sonnenstrahlen auf ein Neues
Sie soll mich sehen, nicht wie ich sein sollte, sondern wie ich bin
Es gibt nur 1 Herbstgeruch: Die Blätter
Sie will Actionfilme nur sehen, weil sie dort so viel sagen, ohne was zu sagen zu haben
Ich glaube, dass Oma gerade jetzt, wo sie nicht mehr auf der Erde weilt, eine Aufgabe hat: Zuhören
Der Drache(n)
Clara Staats
2014
Ein kleines, fröhliches Kind.
Sein Drachen flattert im Wind.
Wie er das Laub durchblättert
und sich in Bäumen verheddert.
Da verwandelt er sich…
…kriegt ein Schuppengesicht!
Krallen wachsen, Flügel entstehen,
die langen, großen Ohren wehen.
Stacheln und Hörner auf dem Drachenleib,
dazu ein feuerrotes Schuppenkleid.
Spitze Zähne, heißes Feuer,
welch liebenswürdiges
UNGEHEUER!