Unsere Gewinner*innen im Januar 2024
Wettbewerb im Januar 2024
Herzlichen Glückwunsch! Wir gratulieren Tom Daamen, Mareike Draschner, Ben Hilsmann, Helen Jakubowski, Tonda Montasser und Skylar Rath zu ihrem Monatsgewinn im Monat Januar 2024!
Viel Spaß beim Lesen ihrer Gedichte
Gefangen in Zeilen und Erwartungen
Tom Daamen
2009
Man sagt, er sei fleißig, intelligent und immer bereit zu lernen,
nach Noten zu streben, die doch so oft trügen.
Doch wer bin ich wirklich, fernab des Zwangs?
Ein Echo, ein Ruf, ein Sehnen, das leise in der Dunkelheit spricht.
Lehrer, Eltern, die Welt, sie rufen laut:
Erfüll die Erwartungen, sei das Bild unserer Träume.
Doch in mir wächst ein Nein, ein Sturm, ein verzweifelter Schrei,
ich möchte nicht nur ein Schatten in einem Leben sein, das nicht meines wird
Ich träume von einem Ort, wo Lernen Flügel verleiht,
wo Schule nicht Prüfung, sondern ein Tanz der Ideen ist.
Wo ich sein darf, wer ich bin, ohne Maske, ohne Furcht, ohne Zwang, ohne die Furcht zu scheitern,
wo Identität nicht Rolle, sondern mein wahres Selbst ist.
So rufe ich Nein, zu Rollen, die mich erdrücken,
zu Klischees, die binden, zu Erwartungen, die mich zersplittern.
Ich will lernen, ich will fliegen, auf den Strängen meiner Träume,
die Welt erblicken mit meinen Augen, mit einem Herzen, das nicht resigniert.
Aber die Mauern sind hoch, die Tore fest verschlossen,
meine Flügel sind lädiert, meine Träume beinahe entschwunden.
In den Hallen der Verzweiflung hallt mein stummer Ruf,
ein Nein, das verhallt, in der Leere dieser endlosen Nacht.
So rufe ich Nein, ein Nein, das ungehört verweht,
ein Nein, das verfliegt, wie Laub im Herbstwind.
Ich bin mehr als eine Zahl, mehr als ein Name auf Papier,
ich bin ein Mensch, dessen Leben nach Freiheit schreit.
Leid will ich nicht mehr spüren,
will aufhören, mich ständig zu rühren.
Mein Herz ist erschöpft, mein Geist ist leer,
ich sehne mich nach Frieden, und nichts mehr.
Doch tief in mir, da glimmt ein Funke Licht,
es flüstert sanft: „Gib dich nicht auf!“
Mit jedem Atemzug, den ich nehme, spüre ich die Kraft,
die mich hält, und mich leitet, in die Ferne.
Und so lasse ich los, entlasse die Sorgen im Wind,
finde den Anker, der mich hält, so wie ich bin.
Ich bin mehr als ein Echo, mehr als ein Ruf in der Nacht,
ich bin der, der leise hofft, dass er bald erwacht.
Einfach ein Nein
Mareike Draschner
2009
Ja!
Antwort auf so viele Sachen
„Hübsch aussehen“
„Das perfekte Lachen“
„Immer wunderbar“
Jeden Tag
Ja!
Antwort auf so viele Sachen
„Hilfreich sein“
„Das perfekte Benehmen“
„Immer lieb“
Jeden Tag
Ja?
Antwort auf so viele Sachen
„Wissbegierig sein“
„Das perfekte Köpfchen“
„Immer wissen“
Jeden Tag
Ja.
„Bescheiden sein“
„Das perfekte Können“
„Immer genügsam“
Jeden Tag
Ja…
„Perfekt sein“
„Das perfekte Perfekt“
„Immer perfekt“
„Immer perfekte Rolle sein“
Jeden Tag
Nein…
Selten Antwort auf so viele Sachen
„Nicht hübsch aussehen“
„Nicht das perfekte Lachen“
„Nicht immer wunderbar“
Nicht jeden Tag*
Nein
Selten Antwort auf so viele Sachen
„Nicht hilfreich sein“
„Nicht das perfekte Benehmen“
„Nicht immer lieb“
Nicht jeden Tag
Nein?
Selten Antwort auf so viele Sachen
„Nicht wissbegierig sein“
„Nicht das perfekte Köpfchen“
„Nicht immer wissen“
Nicht jeden Tag
Nein.
„Nicht bescheiden sein“
„Nicht das perfekte Können“
„Nicht immer genügsam“
Nicht jeden Tag
Nein!
Selten Antwort auf so viele Sachen
„Nicht perfekt sein!“
„Nicht das perfekte Perfekt!“
„Nicht immer perfekt!“
„Nicht immer perfekte Rolle sein!“
Immer tun, nur machen
Erfüllen, was Fremde wollen
Sei‘s der Lehrer,
Sei‘s die Freundin,
Seien‘s die Eltern,
Seien‘s die Chefs,
immer „ihre“ Rolle,
aber nicht „ihre“ Rolle
Nicht die kleinsten Fehler dürfens sein,
keine Fettnäpfchen,
keine Ausrutscher,
kein Danke, Bitte und Entschuldigung.
Immer seine Rolle.
Wann fängt es an,
nicht immer „am besten sein zu müssen“
Wann fängt es an,
nicht immer „am schlausten sein zu müssen“
Wann fängt es an,
nicht immer „am schönsten sein zu müssen“
Wann fängt es an,
nicht immer „am bescheidensten sein zu müssen“
Wann fängt es an,
dass man entspannen kann ohne Leistungsdruck in seiner Rolle
Wann fängt es an,
dass man nicht immer alles wissen muss ohne Gemecker in seiner Rolle
Wann fängt es an,
dass man einfach rotzig aussehen kann ohne Blicke in seiner Rolle
Wann fängt es an,
dass man seine Erfolge feiern kann ohne Angeber zu sein in seiner Rolle
Einfach nein zu so vielen unsinnigen Rollenverteilungen
Einfach ein Nein
Die 10 Plagen (ge-malt)
Ben Hilsmann
2009
Zeit zu wenig,
zu wenig Zeit?
zum (g)ende(r)n?
Worte zu wenig, keine Antwort
– keine VerANTWORTung –
dafür
Müde Knochen
Schwere aber leichtes Gepäck
ist mir zu schwer
Leiden
Schmerz und Krankheit
Nasse Tage fallen
wie Tropfen, Trübsal ohne abfließen
Hunger
sich satten
(ge)sitt(et).?
Arroganz
zeig dich ihr
dein stolz Gesicht
has(s)t du ja nicht
Schimmel
is(s)t ein pelzges Wesen
haartnäckiger, haar(m)los
Vergessen, was ich eigentlich sagen wollte, steht ja eh oben
Mut verlässt mich …
Muss halt anders s/eh\n
Mitläufer
Helen Jakubowski
2012
Und da stehst du, tust so, als wärst du selbstbewusst
Aber du machst die Menschen runter, die selbstbewusst sind, ganz unbewusst
Nur weil sie anders sind wie die anderen – Kein Mitläufer, kein Standard
Und ich steh neben dir und du lästerst über die Selbstbewussten ab
Du fragst mich dann was ich dazu sag
Ich antworte dir:
„Ich frag mich manchmal, kannst du dich selbst im Spiegelbild sehen
Willst du denn wie alle anderen sein, auch dieselben Fehler begehen
Aber du musst du selbst sein, denn normal gibt´s seit Langem schon>
Ein Lied wäre auch langweilig mit nur einem Ton
Oder stell dir vor, in einem Buch gibt’s immer dasselbe Wort
Du musst dich langsam abheben und irgendwann wird der Ton schon zum Akkord
Langsam werden aus den Worten Sätze und irgendwann sogar Kapitel
‚So wie ich es mag und will‘ – Ist dann der Titel
Alle sind weiß, doch bunt zu sein ist jetzt dein Ziel unter all den Schafen
Dass du so sein musst wie die anderen, steht in keinem Paragrafen
Und ein Mitläufer kann jeder sein, aber einzigartig nicht
Das ist wie ein ewig langer, dunkler Tunnel und nur du bist das Licht
Alle tragen immer dieselben Hosen, dasselbe Modell, dieselbe Farbe
Aber warum willst du wie alle gleich sein, willst du auch dieselbe Narbe
Du brauchst jetzt grüne Klamotten, denn grün ist grad ‘in’
Aber du musst dir sagen, ich trag jetzt blau, weil ich, ICH bin
Warum schreibst du dann nicht immer wie die anderen ´ne 6 in Mathe
Wie wäre es anstatt dem 0-8-15-beigen Pulli mit einer coolen Lederjacke
Dann stichst du raus, vielleicht finden sie es im Moment grad nicht besonders
Muss ich echt noch fragen, warum du dich deswegen wunderst
Sie finden es wohl komisch, dass du was Blaues anhast
Doch du findest, es ist super, dass du nicht so bist wie die und willst den klaren Kontrast
Vielleicht gehst du dann allein auf irgendeinen unwichtigen Ball
Aber wer weiß, vielleicht steht ja einer der Jungs genau auf DAS und nicht den üblichen Normalfall
Sag dir doch: Ich bin mein eigener Freund
Das ist was, wovon du jetzt nur träumst
Denn du magst dich irgendwann genauso auffallend wie du bist
Auch mit deiner rockigen und schrägen Indie-Playlist
Und wenn Elton John nicht so besonders wäre und nie die Sonnenbrille angezogen hätte
Wäre er gleich wie die anderen und auch so eine Marionette
Das erzähl ich dir und du schaust mich mit großen Augen an
ich drehe mich um und mein: Probier’s doch mal mit irgendeinem kleinen Anfang
Und versuch vielleicht nicht gleich einen Akkord, sondern erst einen zweiten Klang
Und zieh zur nächsten Mathearbeit die Lederjacke an
Und dann geh ich weg, mir ist egal, ob du es tust oder nicht
mir ist egal, ob du jetzt eins bist, im Tunnel ein Licht
Aber mir ist NICHT egal, ob du die Besonderen runter machst
Ich weiß aber genau, du wärst gern wie SIE, wenn du über sie lachst
Und ich weiß, ich war wie du
Und ich weiß, ich war nicht klug
Und ich weiß, ich bin kein Mitläufer mehr
Ich weiß, ich komm in diese Schublade nie wieder her
Und ich bin raus, dass ich so sein muss, wie ihr seid
Ich bin raus, dass ich dasselbe trage wie ihr, dasselbe Kleid
Und ich bin raus zu schweigen, ich konzentriere mich aufs laut sein
Und ich bin raus, mit euch auf gleicher Augenhöhe bleiben
Hey, auch wenn wir ab und zu Angst haben uns zu zeigen
Lass es uns als Kompliment sehen, wenn die anderen uns unsere Einzigartigkeit neiden
Und Selbstbewusstsein muss erkämpft werden
Und egal, wie groß oder klein du bist, wirst du dadurch Stärke zeigen”
Eine kurze Geschichte der Stereotypen, Teil 2
Tonda Montasser
2011
„Stereotypen in den Straßen, im Leben,
wollen als Wahrheiten
sich in meinen Versen verstecken.“
T.M.
I
Sitze in diesem dunklen Raum,
Plakate voller Hass und Hoax.
Die sagen, das alles passt schon:
Ein- und aus tippen voller Vers-
Zweiflung.
Alles aufgebaut von diesen
Klischees und Stereotypen –
Die können das, die können dies.
Ihr könnt alle nur versuchen
Euch geschlechtlich zu imitieren, ihr seid
Die Seuche, die ihr bekämpft, wir
Die Stereotypen.
II
Aufgebaut wie eine Karikatur,
Schwebt die Uterus-Ideologie
Die sind nur gut in der Küche
Ihr verdient mehr als Liebe dich,
Anerkennung
III
Der Raum wird hell, nicht
Wegen Erleuchtung oder Jüngstem Gericht
Die Terrassenmassakerkinder
Brennen den Raum ab
mit Geschlechter-Benzin,
spucken auf Sexisten
Hypokriten, die das gleiche
Denken, aber nicht preisgeben
Verschütten Cyanid auf den
Köpfen dieser verlierenden Spezies
Voller Verzweiflung und Fetisch
Aka Binarität
Tagträumer
Skylar Rath
2009
Alles zu fühlen und zu sehen
so schön in der Theorie,
bis es einen Weg findet, sich in deine Haut zu nisten
Ranken mit Dornen winden sich durch deine Zellen.
>Ruhe< hallt es.
Nicht wertvoll für dein Umfeld,
wie Unkraut für deine Zukunft.
Sollst Lilien und Thymian sein,
doch träumst von Vergissmeinnicht und Rosmarin.
Honigwaben statt Muttermale.
Sie wollen dich formen wie Glas,
dich mit derselben Zerbrechlichkeit zurücklassen.
Halte dagegen, egal wie schwer.
Egal wie lang.
Egal wie viel es kosten mag.
Bist mehr als ein Wimpernschlag,
trägst das Universum in dir.
Schäl‘ Orangen, lass‘ sie auf der Zunge vergehen,
teile mit Freunden.
Träume in den Tag, genieße.