Unsere Gewinner*innen im Juli 2024

Wettbewerb im Juli 2024

Verwirrend!

Veronika Frank

2009

Wissen ist Macht!
Falsch gedacht! 
Ist Wissen Macht? 
Ich weiß es nicht! 
Wer weiß, was Wissen ist? 

Der Allwissende! 
Gibt es einen Allwissenden? 
Wer weiß es? 
Auch Wissbegierige wissen nicht, 
ob es Allwissende gibt! 

In der Schule lernt man Wissen! 
Man lernt überall zu wissen! 
Wie weiß man, wie viel man weiß? 
Welches Wissen ist richtig, welches falsch? 
Es gibt kein falsches Wissen! 
Wie kannst du das wissen? 

Oft weiß einer das Gegenteil von dem, 
was der andere weiß! 
Beide glauben, das Richtige zu wissen! 
Und wer weiß es wirklich? 
Ich weiß es nicht! 

Ich weiß, dass ich nichts weiß! 
Verwirrend! 
Ich weiß! 

Wirklich wichtige Erkenntnisse der Kindheit

Charlotte Jelinek

2011

Schutzbrille raus, 
Haare zurück, 
Vorratsschrank auf, 
Augen geschäftig  
Zusammen kneifen. 

Angst ausschalten, 
Teller greifen, 
Pinzette nehmen, 
Hoffen, dass alles gut 
Gehen wird. 

Rotes Pulver, 
Scheint gefährlich, 
Auf Teller krümeln, 
Nase rümpfen und 
Ängstlich gucken. 

Paprikapulver, 
Edelsüß, 
Monsterscharf, 
Vorsichtig 
Auf Zunge streuen. 

Schlucken. 
In Deckung gehen. 
Warten, dass Feuer in gefährlichem Ausmaß aus dem Rachen züngelt. 
Erkenntnis erhalten, dass die Sesamstraße manchmal lügt. 

Alien-Parasiten

Tonda Montasser

2011

I 

Ihr wisst schon: diese 13 Jahre-Baustelle 
am Ernst-Thälmann-Park. 

Erst die Endlos-Schlange an der Kreuzung, 
dann bin ich auf Teer-Ähnliches getreten. 

Bauarbeiter lachen mich aus, 
als ich versuche, dieses Ding, 

das wie ein Alien 
an meinem Schuh klebt, 

wegzumachen.  
Mit Abreiben, Duschgel, Shampoo 

und Zahnpasta. Mit Butter 
ging es bisschen schneller. 

Weil: irgendsoein Chemie-Kram.  
Könnt ihr selbst googlen. 

Jetzt klebt das Alien 
unter meinen Fingernägeln. 

Schwarzes Candy. Was ich auch versuch, 
es geht nicht mehr weg. 

So wie Mikroplastik 
im Meer. Weil Teer 

seit 84 nicht mehr benutzt wird, 
hab ich jedenfalls kein Risiko, 

davon tot zu werden. Aber 
meine Augen sind vom Googlen 

Wie Satans-Röhrlinge: 
dickröhrlingsverwandt. 

Ich hab gastrointestinale Störungen,  
sitze mit dem Alienschuh und schrubbe 

bis mir das Chitin 
aus den Fingern spritzt. 

II 

Selbstdiagnose macht krank. 
Ich hasse es, mich selbst zu diagnostizieren. 

„Hol dir nen Doktor!“, sagt ihr, 
aber Kinderärzte gibt es zu wenig, 

und Kinder auch. 
Mach den doccheck auf doccheck.com. 

„Du bist nicht verseucht“, 
das sagt ihr im Chor, aber nur 

bis ihr die Pubertät erreicht.  
Färb das doch aus. 

Wenn dir deine Pickel nicht gefallen, 
drück besser nicht dran rum. 

Sei lieber wieder glücklich, 
pack den Parasite am Kragen. 

Falls du denkst, du bist der Parasite, 
schau unter deine Haut. 

Vom Wirtsein kommt Wirtschaft.  
Erheb dich gegen ihn. 

Oder bleib so wie deine Haare, 
lausig und bald weg. 

 

III 
 

Ich bin 13. 
Da ist medizinisches Wissen wichtig. 

Der Eid des Hippokrates  
leitet sich um in hypokritische Hypochonder.  

Ich würde das Alien gerne verbiegen mit Mercury 
oder es einfach atomar verseuchen. 

Damit dieses Alien nie wieder da ist. 
Ich wette die Bauarbeiter haben das extra 

auf die Straße gelegt, 
um mich zu nerven.  

Zusätzlich hab ich in der Steißbeinregion 
chronische Schmerzen, Kokzygodynie genannt. 

 

IV 

Die Baustelle gibt es gefühlt 
schon seit meiner Geburt. 

Ich werd wahrscheinlich davor verrecken, 
bevor die nächste Baustelle eröffnet. 

Und selbst wenn die nächste Baustelle kommt, 
wissen wir alle im Terrassenmassakerkinderchor, 

dass der nächste Parasite schon auf uns wartet. 
Und ein neues Alien, 

das statt Neon-Schwarz 
Neon-Grau ist und aus der Haut bricht. 

Wir wissen jetzt auch, dass der ganze Shit 
in unseren Gedichten altklug ist, 

und sich wiederholt. 
Dass die Bauarbeiter weiter lachen, 

und dass es keinen Candyman gibt, 
der hilft. Du bist allein. 

V 

Das Alien bist du, 
und der Parasite auch. 

Davon schreibst du Gedichte. 
Neon-Schwarz bis Neon-Grau. 

Die Baustelle ist noch 
dein kleinstes Problem. 

 

Und Schmetterlinge haben keinen Plan, wohin sie fliegen

Pina Schulze

2010

Das Holz knarrt nur, wenn ich mich anschleiche 
die Lieblingsfrisur von Gras sind Stoppeln 
Pointe ist Französisch für Punkt  
und Schmetterlinge haben keinen Plan, wohin sie fliegen  
Mein Bruder wird mal Boss, so wie Gru, nur mit ner schöneren Nase 
die LGBTQ Flagge ist die schönste von allen  
Seeotter halten im Schlaf Händchen, damit sie nicht abdriften  
und Kirschen sind besser als Brause  

Nimmerland

Evelyn Senkel

2010

Meine Mutter sagte mir immer, ich bin zu reif für mein Alter. 
Damals war das noch etwas Gutes,  
ich, acht Jahre alt, trug die Worte \“Du bist ja schon so erwachsen\“ wie eine goldene Medaille um den Hals, 
ich wünschte, ich könnte zurückgehen, sie mir herunterreißen und mir mehr Zeit zum Kindsein geben, 
und Spielzeug, anstatt des ganzen Gewichts, für das meine kleinen Schultern noch zu schwach waren. 
Vielleicht wäre es besser für mich gewesen, \“normal\“ zu sein, anstatt \“älter\“, 
vielleicht wäre es einfacher, 
als kleines Mädchen war ich ja auch immer glücklicher als jetzt, 
dass ich das damals nicht wissen konnte, ist grausam, 
und ja, ich bin nicht wer ich war, obwohl ich gerne dieses Mädchen geblieben wäre, aber sie ist weg. 
Ich hätte lieber mehr Kindheit gehabt.  

Ich schätze, ich bin das Gegenteil zu Peter Pan, gefangen in der äußeren Welt, ohne jemals in Nimmerland gewesen zu sein. 

Verstehst du es?

Clara Staats

2014

Was ist, 
Wenn die Erde nicht rund ist? 
Oder 
Eine Kuh kein Gras frisst? 
Oder 
Kaninchen keine Ohren haben? 
Oder 
Man kann nichts fragen? 

Denn wär die Welt eine Scheibe, 
Könnte man runterfallen 
Und auf einen Stern drauf knallen. 
Dann wär man purer Sternenstaub… 
Doch wissen wir das so genau? 

Denn stopften Kühe sich Bonbons in den Mund, 
Dann wäre das sehr ungesund  
Und sie wären bald kugelrund. 
Dann rollten sie so vor sich hin… 
Doch ergibt das wirklich Sinn? 

Denn hätten Kaninchen keine Ohren, 
Dann würden alle über sie lachen, 
Doch ihnen würd es nichts ausmachen. 
Sie würden sich einfach wegdrehen… 
Doch wer kann diese Sätze verstehen? 

Denn wenn man nichts mehr fragen könnte, 
Wären alle dumm 
Und liefen dumm herum. 

Jetzt liegt es an dir, 
Das hier zu verstehen 
Und ich, 
Ich sag: \“Auf Wiedersehen!\“ 

 

Schreibe, um zu träumen.