Wir gratulieren Banu Beinhauer, Tabea Delle Espinosa, Gabriel Jakob Hoffmann, Tonda Montasser, Mona Schlegel und Freya Werner! Ihr seid die Monatsgewinner*innen zu unserem August-Thema „Die eine Kachel war knallgrün“! Für dieses Thema haben wir euch um knallbunte Gedichte gebeten: Gedichte über eure Lieblingsfarbe, einer Farbe, die ihr gar nicht mögt, oder einer Farbe, mit der ihr eine bestimmte Erinnerung oder Person verbindet. Erreicht haben uns eine Vielzahl farbenfroher Gedichte, die uns und die Jury beeindruckt haben. In euren Gewinner*innengedichten habt ihr uns mitgenommen auf „eine einzigartige Reise / durch flammend-rote / Hotelzimmer“, findet „bunt ist schöner als grau“, fühlt ihr euch von Neid „grellrot“ gepikt und habt festgestellt: „Sehe ich Schwarz, versetzt mich das in ein lässiges Gefühl“. Allen viel Spaß beim Lesen!
Unsere Gewinner*innen im August 2022
und bunt ist schöner als grau
Banu Beinhauer
2008
ich habe mich bunt angemalt
und habe mein leben
mit farben bedeckt.
und ich stand lachend im regen,
der all meine trauer von
den schultern wusch, mich
all meine sorgen vergessen ließ.
meine schuhe kariert und
meine socken bunt gestreift.
und ich war der grund
warum die welt so farbenfroh bleibt.
lief durch saftgrüne wiesen
mit klatschrotem mohn.
strahlte gelb wie die sonne
auf des himmels blauen thron.
und jetzt müssten hier
eigentlich die verse kommen,
in denen es dunkel wird.
und all der glamour, all der glanz
seine farbe verliert.
doch diesmal gebe ich nicht klein bei.
werde nicht wieder teil dieser dunkelheit.
weil das leben ist bunt
und nicht von schatten durchdrängt
und ich werde wieder die sein,
die an regenbogenkleidern hängt.
Mein Gefühl
Tabea Delle Espinosa
2012
Wenn ich Rot sehe, fühle ich mich geborgen
Wenn ich Giftgrün sehe, fühle ich mich reizbar
Wenn ich Orange sehe, bin ich unkonzentriert
Sehe ich Rosa, bin ich vergnügt
Sehe ich Lila, fühle ich mich entspannt
Sehe ich Blau, kommt Freiheit und Ruhe ans Licht
Sehe ich Weiß, möchte ich Flügel haben
Sehe ich Schwarz, versetzt mich das in ein lässiges Gefühl
Sehe ich Gelb, möchte ich jemanden umarmen
Und zuletzt:
Sehe ich BUNT, bin ich so happy, dass ich die Welt umarmen könnte
Wichtig ist einfach, dass wir alle Farben akzeptieren, egal wie sie aussehen. Und so ist es auch bei Menschen.
Shiny Oldtimer
Gabriel Jakob Hoffmann
2011
Der Wagen war einst himmelblau.
Nun rostet er vermoost
auf einer Farnenfarm im Wald,
im stillen Dauerstau.
Aus seinem Kofferraum,
gepackt mit braunem Laub,
sprießt in die Höh’‘ ein Baum
mit einem grünen Blättersaum
direkt am Himmelsblau.
Mal verfängt sich der Sonnenschein
in Scheinwerfers milchigem Glas.
Dann leuchtet er auf. Von allein,
halb versunken im saftigen Gras.
Im Geisterradio erschallt ein Lied,
das der Erinnerung entflieht:
„This little light of mine
I’m gonna let it shine.
Let it shine! Let it shine! Let it shine!“
Eine einzigartige Reise (Hotel-Room 1)
Tonda Montasser
2011
I
Eine einzigartige Reise
auf Monotonie-Braun:
der Nestlé-Kaffee
liegt verschimmelt verstreut
in der Minibar, Food-Agonie:
Horror-Fritten und Spinneneiweiß
von All-you-can-eat-Büffets
für das Menschenmengen-Billard.
An der Rezeption ein Mensch,
Schlag-Kissen-Figur,
schlägt Zeitungen auf.
II
Auf Trümmern versifft-hellen
Weißes von Hotelbetten
blicken leberverdunkelte
Augen in Cocktails.
Rosetta-Rotwein und
Vokabel-Apokalypsen…
Draußen regnet es
spitze Stifte.
Dreiköpfige Eichhörnchen
fressen Flaschen-ähnliche
Fernseh-Fratzen
in Schlamm-Grünblau.
III
Eine Altklugheit-Selbsthass-Backform
klebt in meinem Gedicht-Gesicht.
Pharisäer-Paketboten:
Was für Pseudokram.
Rufe Anwalt Gleichberechtigung:
Liebe Menschenmenge, leb weiter
überflüssig im Sauna-Nobelhotel.
IV
Nebenan alles Optimisten,
eine angenehme Bedrohung –
Willkommen zu Hause, ihr Hypokriten! –
für die Teenager-Depression:
Alles bleibt, wie es ist,
denn wahre Bescheidenheit
zeigt Anarchie.
V
Sprachen-Rache: Jammern
kann niemand gut genug.
Lebensart eines Maschen-Sanatoriums.
Es schadet mehr, als es hilft,
und bindet dich mit Knebel-Verträgen.
Wirf Steine auf eigenen Vandalismus,
Sei gecancelter Shitstorm
mit keiner Unterschrift.
Bilde eine Anubis-10 Cent-Verschwörung,
ein poetisches Palimpsest auf hate speech
im social media:
Könnte Liebe sein.
Tiefgaragen-Backrooms,
Slender-Schlagzeug-Sirenen,
eine einzigartige Reise
durch flammend-rote
Hotelzimmer.
Ausgezählt
Mona Schlegel
2010
Ich liege in einem Bett aus Langeweile.
Starre an die Decke, den dunklen Punkt darauf.
Dreck. Stört das vollkommene Weiß.
Lasse meinen Blick den Fleck festhalten.
Entdecke Maserungen. Rundungen, Zacken.
Kein Dreck behaftet meine Decke.
Es ist ein Falter.
Wie Tränen tropft sein Flügelstaub zu mir herab,
und mein Gehirn weiß, dass sein Herz der Starre seiner Flügel gleicht,
mein Zimmer sein Grab ist.
In meiner Seele aber faltet er wieder seine Flügel sorgsam auseinander,
und bedeckt mein Zimmer mit seinem dunkelvioletten Glanz,
und mir wäre, als würde er in die Sonne hineingleiten,
mit mir an seiner Hand.
Sommerfest
Freya Werner
2008
Zitronengelb
war als wie
in der Satzkette
die sich aus deinem Mund wand.
Zu grell.
Olivgrün
der Stuhl
quasi schon selbstverständlich
etwas zu schräg platziert.
Unbeachtet.
Ocker
war Hitze
kroch alles einhüllend
über meinen müden Körper.
Zu sanft.
Blutrot
bohrte sich
fröhliches Kindergeschrei
in unschuldig malträtierte Trommelfelle.
Zusammenzucken.
Himmelblau
hüpfte Lachen
verächtlich und spöttisch
um mich herum im Kreis.
Immer wieder.
Grellrot
pikste Neid
mit einer Gabel
beharrlich in meine Brust.
Wegen dir.
Anthrazit
der Schmerz
hinterhältig und diabolisch
in meinem Schädel eingenistet.