Unsere Gewinner*innen im Mai 2022

Wettbewerb im Mai 2022

„Wenn die Sterne wie Zuckerkörner verstreut liegen, / springe ich hoch, drücke die Zunge gegen den Himmel / und lasse die Kompassnadel in der Luft einfrieren“

Dass eure Sehnsuchtsorte so unterschiedliche Formen annehmen können wie eine Welt, in der mit „heilen Herzen“ geliebt wird, die eigene innere Ruhe oder das Papier, auf dem ihr schreibt, durften wir im Mai erfahren, nachdem wir euch die Website earthcam.org und das Gedicht „tangermünde“ von Norbert Hummelt gezeigt haben.

Wir bedanken uns bei allen, die teilgenommen haben, für ihre Gedichte und gratulieren den sechs Monatsgewinner*innen aus dem Mai Charlotte Albrecht, Hanna Christel, Gabriel Jakob Hoffmann, Jule Maxeiner, Tonda Montasser und Nika Steiding ganz herzlich!

Wo noch Hoffnung ist

Charlotte Albrecht
2009

Wenn dieses Land zu Boden geht,
Gleichberechtigung hinten steht,
wenn Hoffnung schon verloren ist,
du schon lang nicht mehr du selbst bist,
wenn deine Augen Tränen füll’n,
und uns’re Ängste uns umhüll’n.
Wärst du dann manchmal gerne fort,
an einem ganz anderen Ort?
Dort wo Menschen Menschen sind,
egal ob Rollstuhl oder blind.
Jeder liebt dich wie du bist,
egal was für dich Heimat ist.
Keine Armut und kein Streit,
höflich sein, eine Kleinigkeit.
Luft zum Atmen für jeden hier,
nicht du allein, sag gerne „wir“.
Keine Trauer und kein Leid,
Alle glücklich und kein Neid.
Lieben und das statt mit Schmerzen,
mit Nettigkeit und heilen Herzen.
Gegenwind wird umgedreht,
zu Wind, der dich nach vorne trägt.
zu Wind, der ohne Regeln weht.
Zu Wind, der dich beschützen geht.
Zu Wind, der Streit mit Worten klärt.
Zu Wind, der die Familie nährt.
Keinen Hass und keinen Mord.
Wärst du manchmal auch gern‘ dort?

Meine Gedankenlichtung

Hanna Christel
2008

Blätterrascheln, warmes Licht,
Leichter Windhauch im Gesicht,
Baumsturzkrachen, Schattenspiel,
Blattpapier und Federkiel. 

Ideenrauschen, Seelenfülle,
Abseits jeder Körperhülle,
Gedankenlichtungsfreiheitsklang,
Sekunden sind unendlich lang. 

Zufriedenheit und reines Glück,
Und kein Kummer bleibt zurück,
Durch des Waldes Schutzeswille,
Dringt nur fröhlich bunte Stille. 

Täglich gleiches Lichtersummen,
Aufgedrehtes Schattenbrummen,
Lichtungslebensfreiheitsstil,
Blattpapier und Federkiel.

Herzkompass

Gabriel Jakob Hoffmann
2011

Der Kompass in meinem Herzen
führt mich immer nach Hause.
Hier blüht die Seerose auf
und stachelt mich mit unsichtbaren Dornen an,
das Reisen immer wieder anzufangen.
Der weiße Teil der Nadel will mich in den Süden locken.
Zu den Löwen am Wasserloch.
In die Wüste der Skorpione.
Die rote Nadel ruft mich in den kalten Norden,
dort wälzen sich die Walrosse auf den Eisschollen
und tröten lustig in wilden Akkorden.
Die eingravierten Buchstaben
der Himmelsrichtungen sehnen sich
nach dem Zurück ins Buch,
nach dem Zurück in ein Gedicht –
Dort schlägt ein Wort in jeder Zeile
auf ein kleines Tamburin.
Die Kompassnadel zittert unentschieden.
Dann bleibt sie still.
Nur für einen Moment.
Im Garten. Nachts. Auf dem Trampolin.
Wenn die Sterne wie Zuckerkörner verstreut liegen,
springe ich hoch, drücke die Zunge gegen den Himmel
und lasse die Kompassnadel in der Luft einfrieren –
So süß schmeckt der Weltraum
in meinem Zuhause

Die richtige Richtung

Jule Maxeiner
2008

Verlaufen, gelaufen in die falsche Richtung
auf dem schmalen, erdigen Pfad mit Waldveilchen am Rande.
Gelandet, gestrandet auf einer kleinen Lichtung,
eine Wildblumenwiese mit tausenden Düften.

Aufgeschmissen hingerissen von der Schönheit und Ruhe
setze ich mich in das weiche Gras.
Betört den Vögeln zugehört
und die dünnen Sonnenstrahlen mein Gesicht streicheln lassen.

Als ich merke, dass meine Fantasie mit mir durchgegangen ist, mich an einen Ort geführt hat, der unerreichbar ist, der von mir nur wird vermisst, wo ich mich hin-sehne, doch niemals sein kann, wo ich Pause machen kann, wann immer ich will, wo ich lebe und liebe und lache und weine und sehe und fühle und träume und reime. 

Wasserrauschen lauschen, ein Fluss in weiter Ferne,
dessen Rauschen sich mit dem Gesang der Vögel und dem Zirpen der Grillen vermischt.
Still ist es in mir, so still, dass ich gar nicht fort will,
so schön.
Hab mich verlaufen, doch bin gelaufen in die richtige Richtung.

Wandlitz, Wasserturm, Wald und Liepnitzsee

Tonda Montasser
2011

Nachts fliegen Mücken ins Fenster,
versuchen dich zu beißen.
Der Marder stinkt in den Mauern.

Die Sonne am Morgen
ein Tischtennisball.
Springt orange und weiß in den Tag.

Garten und Verletzungen.
So viele Rinden, glattes Stolpern,
Erdbeeren, Wasserhähne.
Wasserschlachten mit Pistolen
unter Kiefern und Kastanien.

Der Turm wurde gebaut
für die Versorgung der Stadt.
Wir haben da oft mit Lego gespielt.

 

Wald

Die Zecken fallen auf Opfer.
Fallen auch weiter unten.
Bäume sind komplett egal.

Saugt ruhig mein Blut aus.
Schenkt mir gar nichts,
außer Plastikhütten.

Es wurde von euch schon alles erzählt.

 

Liebnitzsee

Du schmeckst nach Verlaufen,
Fahrrad fahren und Picknick.
Verschick uns zurück mit Gewitter.

Du blau-grün durchsichtiger See
der Vollkommenheit.
Bis ans Ende schwimmen.
Ich hatte nie einen anderen Ort.

Terrassenmassakerkindererhebung

Wir machen uns
das Leben

zu leicht
zu schwer

Sommer

Nika Steiding
2007

Frühlingswinde wehen um Blätter in Grün, liebkosen rosane Blüten und schwingen Pusteblumen in die Luft. Sacht streichelt sie über Wasser und legt sich auf Gesichter.

Erbarmungslos singt die Sonne über Unschuldige und vernachlässigt den Süden gewissenlos ungewissenhaft.

Nachts funkeln die Sterne, wie sie es immer tun müssen. In immer gleichen Konstellationen am Firmament und Himmelszelt.

Sommer, summt das Mädchen und öffnet ihre Haare für jene, die empfänglich sind. Tränen der Verzweiflung laufen über ihre Wangen, während die Hitze sie schier umbringt.

Harz klebt klebrig an Baumrinden und erinnert Vorüberwandernde an Blut und Schweiß und Tränen.

Sommer in Angst und Schrecken, Freude und Lust. Verlangen nach dem süßen Nektar der Jugend und dem Moment des Zusammenhalts.

Gräser, die Insekten und Geheimnisse beherbergen und sich in der stickigen Luft des Sommers bewegen.

Schreibe, um zu träumen.