Wer reist weiß nichts von Orten

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Werdet Zu-Hause-Tourist*innen und schreibt Gedichte über eure Welt!

Habt ihr schon mal versucht, euren Wohnort wie ein*e Tourist*in zu sehen? Was wäre, wenn eure Straßenbahn plötzlich zur U-Bahn in New York wird? Wenn der Wind in eurem Viertel salzig wie an der Atlantikküste schmeckt? Wenn der Wochenmarkt nach Südfrankreich duftet und das alte Fabrikgelände an Lissabon erinnert?

Warum niemand in Chinas Paris-Kopie leben will, SELTIX, YouTube

Eine Kopie von Paris – mitten in China?!

Dieses Video auf YouTube zeigt etwas sehr Surreales: Im Süden Chinas wurden echte Orte aus Europa nachgebaut – inklusive Eiffelturm! Ganze Stadtteile sehen aus wie Paris oder London. Viele Menschen dort verlassen ihr Land nie, also hat man ihnen die „Welt“ einfach vor die Haustür gestellt. Allerdings bleibt diese Pariser Fake-Stadt leer. Warum? Vielleicht, weil man Orte nicht einfach kopieren kann – oder weil Zuhause eben mehr ist als nur Architektur.

Inspirations-Stopp 2: „[Mein Vater sagte]“ von Athena Farrokhzad

Der Gedichtband „Bleiweiß“ der schwedisch-iranischen Lyrikerin Athena Farrokhzad ist ein politisches, persönliches und sprachlich ungewöhnliches Langgedicht. „Bleiweiß“ („Vitsvit“ auf Schwedisch) erzählt in dichter, rhythmischer Sprache von Flucht, Migration, Familie, Identität – und dem Versuch, in einem neuen Land ein Zuhause zu finden, ohne das alte zu vergessen. In dem Ausschnitt „[Mein Vater sagte]“, den wir euch unten zeigen, seht ihr, wie verschiedene Familienmitglieder im Wechsel sprechen. Es ist wie eine Litanei, eine Aufzählung von Sätzen, die verschiedene Positionen vertreten und Themen berühren wie: Was bedeutet Zugehörigkeit? Wie verändert Flucht oder Migration das Bild von „Zuhause“? Wie prägt uns, was unsere Eltern sagen? Kann man gleichzeitig zwei Heimaten haben?

Farrokhzads Gedicht ist keine romantische Reisebeschreibung, aber auch in ihm geht es – so wie in eurer Schreibaufgabe – um Blicke auf Zuhause, die nicht neutral sind. Es geht darum, wie wir Orte sehen, durch persönliche Erfahrungen, durch Erinnerungen, durch Sprache. Als „Zu-Hause-Tourist*in“ schaut ihr auf das Vertraute mit neuen Augen, vielleicht spielerisch, vielleicht politisch, vielleicht emotional.

Eure Schreibaufgabe im Oktober:

Willkommen bei eurer „Zu-Hause-Tour“! Schreibt ein Gedicht darüber, wie ihr euren Alltag neu entdeckt und plötzlich Fremdes im Vertrauten findet. Oder wie euer Zuhause sich anfühlt, wenn ihr aus einer anderen Perspektive draufschaut – als Reisende, als Träumer*innen, als Fremde, als Dichter*innen.

Über Athena Farrokhzad

Athena Farrokhzad, geboren 1983 in Teheran, lebt in Göteborg. Sie debütierte 2013 mit dem stilgebenden Lyrikband Vitsvit (Bleiweiß), der bislang in mehr als fünfzehn Sprachen übersetzt und für die Bühne adaptiert wurde. Für ihr zweites Buch, Trado (2016), das sie zusammen mit der rumänischen Dichterin Svetlana Carstean schrieb, erhielt sie den Preis des Rumänischen Kulturradios. 2019 erschien I rörelse, 2022 Åsnans år, beide beim Albert Bonniers förlagFarrokhzad ist als Dramatikerin, Kritikerin und Übersetzerin (unter anderem Adrienne Rich) tätig und unterrichtet Literarisches Schreiben an der Nordens Folkhögskola Biskops-Arnö. 2021 war sie Stipendiatin des Berliner Künstler:innenprogramms des DAAD, 2023 erhält sie den De Nios Vinterpris.

Athena Farrokhzad, Foto: kookbooks.de