Unsere Gewinner*innen im Juni 2025

Unsere Gewinner*innen im Juni 2025

Wettbewerb im Juni 2025

Das Aquarium

Charlotte Jelinek

2011

Wenn der Sand mir durch die Finger läuft
Bin in einem Uhrwerk gefangen
Hältst du mir die Augen zu?
Bis ich endlich wieder sehe?

Ich hab gegen die Glasscheibe geklopft
Doch zwei Fischaugen in einem Aquarium sehen nicht

Aber es sind die Klänge des Frühlings
Es wird wärmer

Musste hinfallen
Musste liegen, musste liegen
Musste so verdammt lange liegen 

Doch in einem Aquarium liegt man nicht
Man schwebt

Sand steht still, wenn er im Wasser schwimmt
Ich hab nicht zurück geguckt

Und was ich höre, sind die Klänge des Sommers
Es wird wärmer

Sei vorsichtig dich nicht zu verbrennen

Alles, was brennt, erlischt irgendwann

Mira Kögler

2011

Wenn der Tag endet und die ewige Dunkelheit über die Erde zieht, ist es kühl und ruhig,
fast schon allein. Aber alles, was du willst, ist Zweisamkeit. Nur wer verbringt die Nacht
mit dir, außer den Sternen?
Doch es ist sinnlos Sternschnuppen zu fangen, denn egal, wie atemberaubend sie sind,
am Ende verbrennt man sich nur.
Ein Abdruck, nur eine Narbe bleibt. Narben, welche daran zurückerinnern, wie
schmerzhaft es einst war.
Dass dein Leben zerfiel und du etwas hinterherjagtest, was einfach unerreichbar war.
Dein Herz aber schreit noch immer danach, es sehnt sich nach dem Unerreichbaren. Es
zieht und brennt und treibt.
Solange, bis du es endlich schaffst. 
Aber wie soll man etwas erreichen, was unerreichbar ist?
Es ist ein Schritt nach dem anderen, aber die Kunst zu laufen bleibt mir verstohlen.
Versperrt hinter Türen, die ich nicht öffnen kann, denn ich bin kraftlos.
Verbrannt einst von Neugier, zu Asche zerfallen.

Illusion: verlorenes .ich.

Elena Kritikakis

2012

Es beginnt der Tag
mit der letzten Träne meines Lebens

Blasen wirbeln um mich,
Blut umrahmt meine verlorene Silhouette,
.ich.

.es. beginnt.

niemals und doch so bald

süßsauer

Stine Möller

2011

Tropf.
Ein Tropfen voller Erinnerungen
Fällt auf den Boden.
Ich starre auf das Erdbeereis.
Tropf.
Ich kenne den Geschmack.
Süßsauer.
Süßsauer – der Geschmack von Kindheit und Heimat.
Ein weiterer Tropfen läuft an der Waffel runter.
Es ist die Zeit.
Die Zeit – eine solche Macht.
Die Zeit –
Es schmilzt. 
Ein roter Tropfen,
Ein Tropfen Kindheit,
Landet auf dem Boden.
Ein roter Tropfen,
Ein Tropfen Heimat,
Landet auf dem Boden.
Ein Tropfen süßsauer.
Die Zeit –
Ich kann nichts tun.
Meine Hand hält es fest –
Versucht das Eis zu fangen.
Meine Hand
Kämpft gegen die Zeit.
1:0 für die Zeit.
Süßsauer,
Eine Pfütze Erinnerungen.
Da – der Laden.
Langsam
Trete ich ein.
Verlust, Angst, Neugier.
Ich stehe
Vor dem Tresen.

 

Zwei Münzen
Umklammert von meiner Hand,
Die nicht bereit ist, sie frei zu geben.
Süßsauer – denkt sie.
Nein – denkt die Zeit.
Und die Zeit hat gewonnen.
1 Minute
2 Minuten 
Mut.
3 Minuten
Vanille.
Ich habe es gesagt.
Mit einem verwirrten Lächeln
Nickt der Verkäufer und gibt mir
Vanille.
Langsam 
Gebe ich ihm die
Zwei
Münzen.
Früher reichte eine.
Früher
Kindheit, Heimat, süßsauer.
Ich schlucke und
Nehme das Eis.
Nein, nicht das Eis.
Ein Eis.
Fremd, ungewohnt.
Auffordernd
Schauen mich Zeit und Verkäufer an.
Ich schlucke und
Probiere.
Weich, samtig. Vanille.
Überraschend, ungewohnt –
Anders – aber
Nicht schlechter,
Nur anders.
Ich schlucke.


Weich, samtig, jetzt.
Eine Träne.
Sie tropft.
Tropfen.
Süßsauer.
Vergangenheit, Vergänglichkeit.
Zeit.
Vanille. Nicht schlechter,
Nur anders.
Neu. Und gut.
Ein Atemzug, ein Lächeln,
Mut. Zukunft.
Süßsauer.
Vergangenheit, Erinnerung.
Zeit. Bereit.
Vanille.

 

Klimmzüge im Saefkow-Park (bandagierte Epiphanie)

Tonda Montasser

2011

I
Im selben Loch wie vorher.
Ich sinke,
das Handy in der Hand.
Komme nicht mehr nach oben.

Die Hitze – 33 Grad –
singt auf meiner Stirn,

greift mein Nervensystem an.
Toxische Photosynthesen.

Mein Kopf aber ist eine Pflanze:
Ich muss auf-
blühen.
Das Handy weg, die Augen weg
von allem, was nicht Klimmzug ist.

II
Dies ist ein einsamer Mord:
30 Klimmzüge am Stück!
Hänge da, und der steife Arm reißt.

Ich schaffe keine 30 Klimmzüge,
ich schaffe nicht mal 2 am Stück.

Hornhaut blutet, es ist heiß,

und ich
habe keine Lust mehr.

30 Klimmzüge,
als hätte ich noch nie eine Stange angefasst,
als ginge da draußen im Park
die Welt nicht unter.

 

III
Tag nach Tag, der Park wird immer voller.
Ich will mich nicht blamieren,
aber ich mache es trotzdem.

Jeder Klimmzug tut weh,
meine und deine Hände
sind voller Blut
und Zittern, sie zittern.

Ich frage nach Pflastern.
Politiker geben mir Stangentipps.

Ich sollte Bandagen holen,
doch was sind verblutende Bandagen?

Bandagen wollen weiß sein.
Oder ist das auch nur eine Erscheinung?

Tag nach Tag, ich sehe nichts
und fühle Speichel in meinem Blut.
Ich zwinge mich,

doch selbst der Zwang will das nicht.
Die Klimmzüge sind … langweilig.

Dies ist ein einsamer Mord,
aber nichts machen
bringt auch nichts.

IV
Diese Woche ist schrecklich.
Ich will sie nicht noch mal erleben.

Ich habe Angst.

Angst, gesehen zu werden,
Angst, ausgelacht zu werden.

Jeder starrt mich an
mit schadenfreudigen blauen Augen.

V
Ich schäme mich
für alles, was ich geschrieben habe

über meine Klimmzüge, meinen Griff,
die wunde Hornhaut

und meinen dünnen Schreibarm.
Ich habe aufgehört.

Heute ist der letzte Tag
Training.

VI
Saefkow-Park.
Ich renne den Berg hoch.

Der Weg ist übersät
mit zerstörten Bahnhöfen,
halbvollen Pfandflaschen und grauem Grünzeug.

Oben angekommen, kommt es
zu einer Gotteserscheinung.
Es sind Zuschauer da,
verwandte Fremde,
Freunde –
sie alle sind komplett still,
jeder im Kampf mit sich selbst.
Sie schreien sich an mit Marderzähnen.
Ich zeige aber nur Krokodilstränen,
welche auf das Metall der verblutenden Klimmzugstange
fallen.

VII
Die Klimmzüge sprachen zu mir:

Ich solle sie nicht verlassen,
wie ich meinen Hades verlassen habe.

Ich bin unsichtbar, ich fange an:
erste 5 Klimmzüge, dies ist die Anfangsphase.

Nächste 5 Klimmzüge –
alle meine Wünsche zeigen sich hier.

Die nächsten 5, alle meine Wünsche lösen sich.
Ich will nicht mehr Teil dieser Gesellschaft sein.

Ich will mit den Terrassenmassakerkindern sein
und wunderbar violetten Eisenhut riechen.

Die nächsten 5 Klimmzüge –
am Ende weiß ich nicht, ob ich mich ändern will.

Niemand schaut mir zu,
und ich schaue nicht in mein Handy,
also ist es egal.

Nächste Woche versuche ich es wieder.
Dann werde ich alles erfahren.

 

 

Es beginnt der Tag

Jona Valentin Rose

2014

Meine Augen öffnen sich
Das blaue Meer
das vor mir prankt
wird mit weißer Gischt geschmückt.

Vorsichtig greifen meine Finger
in meine Tasche
und wollen etwas finden
was sie beruhigt
was ihnen die Möglichkeit gibt
zu verstehen
was im Hier und Jetzt ist.

Sie finden nicht
was sie wollen
und bleiben schlaff zurück
Verwirrt schweben
meine Gedanken
über dem
was mich so verunsichert.