Unsere Gewinner*innen im September 2025

Unsere Gewinner*innen im September 2025

Wettbewerb im September 2025

Was hinter Glas geschieht

N. Beckel

2006

Halblächeln auf dem Floß,
im Wasser, in den Bergen,
ist mehr als Muskelerinnerung.
Meine Lieblingseiche wiegt in der Dämmerung
unangetastet.
Denn das Alter torkelt hier,
ertrinkt im Wirbel der Zeit.
Ich finde:
Jetzt, früher und bald —
festgehalten für die Ewigkeit.

Auf den verschlungenen Pfaden
könnte ich dir viel zeigen,
seitdem du weg bist.
Seitdem ich
aus Wegzehrung
Tiere falte und
in Marmeladengläsern aufbewahre.
Beschriftet nach Erdbeere, Himbeere, Brombeere
und Quitten (Fäulnis im Gras).

Dein Bild eingeklemmt im Geldbeutel
schwitzt zwischen Douglasrechnung und Ausweis.
Grinsend, kastiges Auto, undatiert.
Erdbeere als Schneetage.
Es fällt ab von mir in einem Frühherbst
und liegt an Nikolaus im Briefkasten.
Eine Notiz in fremder Schrift, eine Einwegkamera
und du, fremdberührt, der Gleiche.

Sepia-Filter malt
mit den kräftigsten Pinselstrichen
Schnee warm.
Ein Abzug aber
ist niemals
fleischige Erdbeere.

handinhand, eine schwimmnudel unter deinem linken arm

Swantje Bitterling

2006

in poolfarben floss sie dir aus dem gesicht
und verlor sich zwischen kopflosen körpern und wasserbällen
nachdem sie sich in kratern um deine augen gehöhlt
und in kratzern in deinen atemwegen festgesetzt hatte
nachdem dein brustkorb kolibri oder eisberg war, no inbetweens
und dein körper in haltlosigkeit gesucht hatte,
gab es einen laut, der
aufeinandergepresste zähne, erleichterteslachen, stockenderatem war,
der sich genauso anhörte wie das wesenartige,
das die uns umgebenden körper mit der aggregatszustandsänderung ihrer umgebung verliehen bekamen
in diesem salzigen laut, der wie eine schweißperle aus dir kullerte, 
floss sie dir in poolfarben aus dem gesicht
und ich habe zugesehen

anode, kathode, lächeln bitte, für das weiche innere

Christine Henne

2005

(SPANNUNGSQUELLE:)
[dear future lovers, human civilizations]
habe meine freunde desensibilisiert,
hab’ die kamera dabei immerzu, wir skalieren: 
hype oder 
breakdown 
[i don’t know what to tell you, (big word like baby, 
not my baby, but i feel this out of place softness)]
brechen füreinander miteinander auf
gottweiß wo und wann-hin
und selbst wenn die apokalypse kommt 
[this is a thing that happened to me] 
knips ich bilder von den engeln
[listen in, it might happen again]
bis sie’s nicht mehr merken

(ZÄHLGAS:)
lächeln bitte, für 
das weiche innere;
all das licht, das ich fing
ist noch immer, 
unverkennbar,
dein gesicht

schau hier, mister kirlian
schau zwischen dem blau
wovon ich keine bilder habe, die man mir glauben würde
wovon ich listen mache, lebenslinien nachfahre
aura fotografiere, aus versehen 
einen ast dunkel ab-bilde, gen himmel

ich schau’ dir beim schlafen zu
einen sinnabschnitt lang
lakenfalten wellen sich um uns
das man so glücklich sein kann
auf hoher see, im charter jet,
bei radio und wellengang

unter einem wollmantel in einem gewächshaus 
diese schmetterlinge haben noch nie die sterne geschmeckt, aber wir–
schwärme fliegen in die nähe in den umkreis
spähe uns im spiegelsilikat nach
unterlasse geigerzählen 
wir sind sicher, liegen wach unter lawinen

[in this kind of landscape, 
even the technologically superb machine, 
the radical innovation that you are
there is an afterglow, there is no shame in it
you may find yourself counting all the wrong things, 
heartbeats and last goodbyes and maybes]

(WIDERSTAND:)
ich frag, ob das so ok ist 
ich will wissen, ob du den schnee willst
schmelzlos und für immer 
ist schön wie sünde, ja 
selbst wenn du darin einbrichst 
es dich einweicht, bis du durchscheinst 
deine zellwand bleilos
wie papier
filzstift in der hand 
merk ich mir

Kyoto

Charlotte Obenaus

2005

Über den Teich gebeugt frage ich mich
schwimmen die Fische
unter den Schatten
über den Schatten
oder mitten hindurch;

einen Moment liegt mein Gesicht
wie eine Seerose auf dem Wasser
bevor es untergeht.

Schallend

Rosalie Stadler

2008

Schallend
Schallwellen im Schaum gegen Stille im Schädel
Saum der See                       neben schweigenden Strecken
Strenge Stürme                   gegen stehende Segel
Sand im Stoff                        neben Schein im Sonnenlicht
Schwesterliche Sicherheit gegen schreiende Schallwellen
Nasse Kleidung, die Falten wirft, wie die Hügel daheim
Dünen, gezogen übers Land, wie die Falten auf der Stirn
Seide in der sorglosen See, von den auf neuen
Reisen segelnden Winden sorgsam gebügelt.
Schneller siedet die nachhallende Erinnerung.

zu viert am strand

Freya Werner

2008

I.

zweitevonrechts

in deine zöpfe hast du dinge geflochten von denen du nicht redest
in diesem leben traust du keinen blauen augen mehr
bis in alle ewigkeit der fisch kurz vorm ersticken

 

II.

zweitervonlinks

manchmal kannst du dich immer noch nicht sehen im spiegel
solltest aufhören dich so anzuschauen als könntest du mit feenstaub komplexe ausgleichen
und andere wundersame dinge

 

III.

links

du hast dir fünfzehn jahre auf die stirn geschrieben
fünfzehn ganze jahre in denen du dich verlernt hast
schritt für schritt jetzt erst mal wieder exhumieren