Unsere Gewinner*innen im Juli 2025

Unsere Gewinner*innen im Juli 2025

Wettbewerb im Juli 2025

Terminal C (7 Sek.) – Max Herre

Marie-Madeleine Amiras

2007

Im Juni brennen die Steine 
Ein Hybrid aus Unswesen 
Suhlt sich darin
Bis der Teilkörper brennt 
Weil Eifersucht den anderen 
Dürstet 
Und nicht trinken möchte 
Verschwinden muss 

Laufen mit Maschen um den 
Schuhen 
Jede Zelle unberührt 
Zerfällt wie verhungert dank 
Mikroskopischen 
Blütenwiesenwesen
Stecken sich Rosen zwischen die
Zähne 
Und schmecken die Fäulnis 
Nicht 

Es klingt ein naiv-verhaltenes 
Gespräch 
In den trockengesoffenen Boden
Breitet sich blondes Haar
Brauner Arm, großzügig
Ein Wasserstrahl 
Der schmeckt 

Wie Scham 
Im Juni lästern die Metallstangen
Karamellzähne vor verlassenen 
Mannschaftswesen 
Auf denen man eine Teetasse 
Platziert 
Um befreiter zu fallen abzutasten
Der Boden voll kalter nasser 
Zigarettenstummel 

Der leergewohnte Himmel eine 
Weiße Maske 
Darunter verzetteltes Scheinwissen

Sind wir Unswesen 
Bereit uns zu küssen 
Oder brauchen wir 
Kabelkopfhörer? 

Im Sonnenbrand schmilzt 
Joghurt, abverlaufen 
Gegen das 
Zitternd auf dem Bordstein 
Versprechen schließen 
Und die toten Flecken 
Davon später bereuen 
Wesen wird klein 

Ein Pollenatemzug, einzelnes 
Gemeinsames 
Wir halten uns
Erdachtes, vermaltes 
Ins Gesicht 
Es ist
Ideologie 
Verlockend, rot und im Elternbett 

Im August blinzeln die Wellen 
Schäumen durch den Mund 
Brechen endlich erlebt hervor 
Das Wesen ist hüfthoch angesteckt 
Schlammbefleckt 
Hinausgestiegen 
Log sich den ganzen Sommer

Wie 
Frische Pärchen 
Auseinander 

Unlösbar bei x = damals

Banu Beinhauer

2008

Als ich mich entscheiden musste zwischen Therapie, gestrickt aus schweigenden Fragen/Starren auf einen verwaschenen Teddybär, der seine alten Augen getrocknet hat, [und] 88 Tasten/der Klangkörper meiner Erinnerung aka. Alles, was mir nicht genommen wurde (während es darum, wie lange ich noch leben würde/ob)

x = 13xhoch2 – 17

x = das Mädchen auf dem Foto war nie ich

Würdest du raten, hätte ich schon längst verloren/Wahrscheinlichkeitsrechnung. Nenne mir all die Denkmäler menschlicher Sehnsucht und ich werde dir einen Weg zeigen [Münster: Zuhause?]/Augen geschlossen. Wolltest mein Vergessen vergessen lassen [Münster aka. Käfig aus Atemnot/Freiheit]

x = Energie kreiert Energie

x = 10.78/nicht lebensfähig 

Ihre Diagnose: ehochx/lass mich mich mitnehmen und ich werde vergessen [sie: i = -1] Mein Tanzen ist eine Aneinanderreihung trigonometrischer Akkorde/als die Knospen meiner Gedanken nicht reichten, um zu vergessen, habe ich leise geschrien [auf dieses Papier: 19.5/1]

x = würde sie mich Klavier spielen hören, würde sie noch immer anfangen zu weinen

x = Energie/meine Tränen haben vergessen

Kranzrand

Christine Henne

2005

ich stell fest, ich hab nicht so viel restgefühl,
nicht so viel seidentuch, nicht so viel rosenkranz,
hab nur riesig resonanz, hab stadtmittepark- und kaufhausdach-resonanz, hab tram nach zwei-dreißig nachts-resonanz und— 
isolieren wir das;

substanzbefreit und immertreu
ich will lieben, als würde es niemanden etwas angehen
voller überzeugung gestehen, aus vollem hals 
was ich morgen als unwahr gewähre

rotieren magneten, im labor verschluckt
körper, dreh dich, dreh dich rund, nach sonn’auf noch tanz 
grab mich tiefer mit jedem schritt, eisen im gelenk 
keine chance für sediment

in der mitte meiner leeren zirkeltritte vielleicht, vielleicht nicht
träum ich mir, bedenk 
eine stele in gestalt von gestern 
ein offener brief an meine liebsten

Fetzen

Yasmin Hisir

2006

Hinweis: Dieses Gedicht enthält Passagen mit expliziter Sprache.

Sommernächte in Berlin
Wie blaue Seifenblasen
Blut und Benzin
Mit Speichel gemischt
Fließen in der Bauchnabelhöhle zusammen
Rasierklingen um den Hals geflochten
Türkisfarbene Tangas
Sichtbar
Das Greifen danach
Das Reißen 

…..

Du hast einen Freund der ein Mädchen kennt
Sie hatte kein Geld sagt der
Hat ihren Plug bestohlen
Er nickt bekräftigend
Sie haben ihr die Hand abgehackt
Wir nicken auch
empfinden nichts 

…..

Berlin ist ein Sud
Wir tauchen ein und auf
In Stöckelschuhen
Warschauer Straße
Sonnenallee
Görlitzer Park
Alexanderplatz
Das High der Junkies
Das Low
Eine Ecstasy und man kann die Lichter knistern hören
Am nächsten Tag möchte man aus dem Fenster springen 

….

Du hast eine Freundin die kein Geld hat für Keta
Aber einen Körper verstehst du
Ich nicke träge
Lass Ali anrufen

Er hat mdma

…..

Unsere Oberschenkel sind blau von der Kälte
Wir schlafen vor Rewe
In eine Ecke des fettigen Sofas bei Megges gedrückt
Hauptsache jede Nacht woanders
Du ziehst deinen Eyeliner in der Snapchat-Kamera nach
Klaubst das Kelly aus den Strassenritzen
Mitten im Vanilla Sky
Passieren Dinge die man vergisst
Weil man sonst zugrunde gehen würde

….

Das Greifen danach
Das Reißen
Eine Kapsel Weißes wenn ich deine Titten sehen darf
Am Ende haben wir zehn Kapseln
Wir sprechen nicht darüber
Ich dusche zwei Tage
Bis das Wasser mir die Haut verbrennt
Dann weiß ich dass ich noch lebe

ik ben vergeten

Fanny Walger

2004

ich bin zum ersten mal schön.
ich stopfe neue worte
in den kopf, um zu vergessen
wie ich hieß, so wie mein vater

die namen meiner freunde nicht mehr weiß.
abfahrt in bad hersfeld, 18.56 uhr.
diese schienen gebären einen
solange man dort nicht stirbt

und die sonne scheint über kassel-wilhelmshöhe.
ich werde doch im juli älter.
ich trug namen, von denen habe ich
meinem vater nie erzählt

trug namen nur zum übersommern.
ich lösche alle fotos auf meinem telefon
mein haar unter einer mütze
er wollte nicht, dass ich es abschneide.

freiburg, wien, berlin-charlottenburg
ich plane, von niemandem gekannt zu werden
das hat mit reue nichts zu tun.
ich lese über tod tod tod

immer auf der suche
aber ich hab das im griff
leipzig hauptbahnhof, hier lässt es sich
sicher einmal gut verlieren.

mein vater weiß nicht mehr, ob ich ihn liebe.
ich schreibe zum abschied
über die nabelschnur und vergesse dann
dass ich zur welt gekommen bin.

ich bin zum ersten mal

Wenn Sirenen kauen

Sarah Zeiss

2009

Weißt du, so schließt sich der Kreis.
SIE, die groß ohne Großbuchstaben zu bedürfen, und dann du.
Eine, die von der anderen, nennen wir sie ICE. 
Meine Schuld. 

Kennen tat ich mich nicht, aber dich zu sehen, glaubte ich schon.
Auf Air-Line-Pitches eigene Bosheit verfolgt, nur um dann zu realisieren, dass du nicht im Norden antriffst.
Allein.
Auch wenn der Test nicht eindeutig war:
Heute pflege ich es auf SIE zu schieben.

ICE sagt, es war Überdosis. Gewollt. Du hattest 40° Fieber und weiße Kissen haben dich
gerettet. 
Warst du da bereits 12?
Bringt dir nichts, heute. 
Und auch mein Gestern-Ich:

Ich erobere erst meine Persönlichkeit zurück, dann meinen Körper. 
Du scheinst beides zu verlieren. 
Eines unserer letzten Gespräche war über dich. 
Aber SIE verblasst und du in Chats auf Papier konserviert. 
Hätte ich mich erinnert, wären die Vasen aus Plastik gewesen.
Es ist so einfach, sich zu entlieben, wenn man oft genug „Arschloch“ schreit. 

Versprochen, Zeit lässt sich nicht konvertieren.
Nur kurz deine Mutter heilen. 
Während du vor die Wand fährst, in einem Auto, in das ich dich gesetzt hab.  
ICE hat die Airbags und Gurte geklaut. 
Und SIE hat auf die Frontsicht gesprayt. 
Damit du darauf Polka tanzt. Ihr selbst fehlt der freie Wille zu teilen, 
Auch wenn ich weiß, was du von meinen Ferndiagnosen hältst. 
Ob Sirenen beim Kauen nachdenken?