Unsere Gewinner*innen im März 2025
Wettbewerb im März 2025
Was du mir bist
Federico Di Vitto
2011
Regenbogen meines Zimmers
mein Ökosystem
mein Zoo
Privatsüdsee
und Zeitreisemaschine
Das bist du mir.
Langeweilekiller
und Wutstaubsauger
Du beherbergst die Heinrich-Cam
Augen der schönsten Garnele
wie zwei Perlen
immer auf mich gerichtet
wohin ich auch gehe
hier in meinem Reich
Alles das bist du mir.
Mein Aquarium
Der Großstadt-Dschungel
Annalena Esser
2010
Der Großstadt-Dschungel Tokyo
Wo es so viele Menschen wie Blätterriesen im Amazonas gibt,
aber mit 240 mal mehr Vielfalt
so viele Menschen
so viele Menschen wie Blätterriesen,
deren Wurzeln so weit reichen,
dass sie nur das weitläufige Lichternetz Tokyos bei Nacht als Konkurrenz haben
Wurzeln, die wie geheime Wege alles miteinander verbinden
Wurzeln so verschlungen und labyrinthartig wie dunkle Gassen im nächtlichen Großstadt-Dschungel
Der Dschungel so dunkel
dunkel und unerforscht, klingt das aber nicht bekannt?
Ja, da war was, der Marianengraben ist genauso dunkel und unerforscht
Aber der Dschungel ist keine Fischsuppe, nein, er ist ein Feenspielplatz mit Rutschen, Schaukeln,
Klettergerüsten und Spieltürmen
Türme, so wie der Tokyo Tower, der Tokyo Turm
Nur sind es Blättertürme und Wurzelmacher
so machtvoll und faszinierend wie der Mount Fuji bei erwachender Sonne, bei erwachenden Vögeln, die überall, exotisch oder nicht, im Dschungel oder in der Großstadt, ihre Kompositionen und Lieder kundtun
Aber der Dschungel bei Sonnenerwachen strahlt Ruhe und gold-grünen Segen aus
Seelenfrieden
Das Blätterdach mit den singenden Sängern namens Vögel und den flatternden Schmetterlingen
breitet seine Äste aus, spielt seine Rolle als Beschützer dieser Einzigartigkeit
Einzigartig, hmmm, das ist doch auch der Großstadt-Dschungel Tokyo
Einzigartig und Vielfältig
Die Bäume. Scheinbare Vergleiche.
Tonda Montasser
2011
„Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoß sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.“ – Kafka, Franz 1912
I
Dieses „denn“ regt mich so auf.
Wo bitte ist die Schlussfolge.
Denn: Ein Abgrund an Vergleich.
Ein Abgrund an Fragen.
Warum sind wir Baumstämme?
Aus welchem Grund liegen wir
glatt auf?
Wer ist das „man“, das uns
wegschieben wollen sollte?
Die Zeilen liegen glatt auf.
Auf dem Weiß der Seite gefällt,
wie Tote im Schnee.
Wir = Tot, die Zeilen leblos,
Wie gern würde man
alles wegschieben.
Die Traumata, die Sprache
der Zeilen, die Leichen.
Nein, das kann man nicht.
Denn wir sind fest
mit dem Boden verbunden
Wir können uns nicht wegschieben.
Und die Sprache auch nicht.
Wir sind aber auch nicht man.
Nein, damit jeder es versteht:
Der Boden ist die Geschichte.
Wir sind alle tot nach Kriegen.
Wie der erste Satz hat Krieg keine Moral
oder Schlussfolgerung.
Der Krieg formt keine Gleichnisse.
Doch sind wir mit der Sprache
Und damit der Geschichte verbunden.
Aber auch das ist nur scheinbar.
Wir sind fest mit dem Boden verbunden
Und wir können unsere Leichen nicht wegschieben
Aber wir versuchen es immer wieder.
Und es bringt uns nichts.
Dieser kleiner Anstoß (Ich)
könnte unser Untergang sein.
II
Das Gedicht hat 41 Wörter
Kafka war Jude
In der Kabbala steht die 1 für den Menschen
Und 40 für die Welt.
Das heißt, hier wird essenziell über die Menschheit
Und die Welt gesprochen und wie wir sie zerstören.
Bis heute ist das so.
Wir beschmutzen den Planeten
Und verstecken uns hinter irrelevanten Diskussionen,
Während wir alle nur leiden.
III
Und genau in der Mitte: Das Nein
Ein Widerstand: Die Zahl 21
20 steht für das Potential:
Wir müssen uns nicht zerstören
Wir können wieder neu anfangen.
Indem wir nicht mehr so oberflächlich denken.
Und die 1 steht für das Wir.
Da legt sich Glanz drüber.
Ein Vergleich von Identität und Zahl.
In Sprache.
Aber sieh, auch dies ist nur
scheinbar.
Scheinbar
Scheinbar
Socken
Sophia Nichol
2011
Die schwarze Socke
Passt in den schwarzen Schuh
Drum schwarze Socke
Sei, schwarz, nur zu
Und der schwarze Schuh
Gehört zum Schwarz der Nacht
Drum schwarzer Schuh
Gib der Sterne Wacht
Die schwarzen Augen
Funkeln im Mondesschein
Hören des Kopfes rufen
Und kehren pink-blau heim
Die pink-blauen Socken
In die pink-blauen Sandalen
Das Auge sieht zu, wie
Die Farben im Kopfe erstrahlen
Und der Himmel erleuchtet
Die Wolken pink, das Ende blau
Vertreibt das Schwarz der Nacht
Niemals zusammen, Auge schau!
Und wie also sollte man
Sie nebeneinander sehen
Pink-blau und Pechschwarz
Wie sie in die Sonne gehen
Kein Auge kann sie stoppen
Allein der Kopf lässt die Zweifel entstehen
Denn kein Auge zieht den Vergleich von Socken
Drum wird auch nur der Kopf vergehen
Zuhause in Diagrammen
Carla Westendorf
2010
Dort ist der Unterschied gut sichtbar
Diagramme sind für Vergleiche wie …
ein Haus
Zeigen auch Gemeinsamkeiten
Menschen leben wie …
Balken in Diagrammen
werden ständig verglichen
Vergleiche sorgen für Stofflichkeit
die Zeit klingt wie … ein Wasserfall
Raum sieht aus wie …Diagramme mit x, y, z
Parabel wie … der Ball fliegt
Daten ein bisschen wie …
Realität
Als Stilmittel
mit blumiger Sprache und Adjektiven
Blüten wie Regen im Wind
Gedanken wie … flitterndes Licht
Wörter wie … Synapsen zwischen uns
Sätze wie Bilder im Kopf
vergleichen mit anderen Menschen
Forbes under 30
schlauer, schöner, reicher
doch kein anderer Bewusstseinsstrom wie …
du
keine Sicht auf die Welt genauso wie
deine
Trotzdem dieser Satz im Kopf
(da bist du wie alle anderen)
Ich will so werden wie …
(Name bitte selber einfügen).
Trotz allem
genauso viel wert wie …
alle anderen.
Ich, die Klippe des Horizonts
Xenia Zeh
2010
Ich bin wie die Klippe des Horizonts,
eine Schlucht über die du dich beugst,
um das fehlende Echo zu hören.
Na los, schrei doch deine glitzernden Probleme
in die dunkle Leere, dort, wo noch Platz ist,
vielleicht werden sie zu Sternen,
später zu Sternschnuppen,
denen ich meine Taschen zeige,
Taschen deiner weggeworfenen Momente,
ich habe sie auf meine Schultern geladen,
während du davon gehüpft bist.
Du hast mich nicht gefragt,
wie es mir geht,
mir geht es gut,
so wie es mir gut ging,
mir wird es immer gut gehen.
Denn ich bin wie die Klippe des Horizonts,
wie die jungen Strahlen der Sonne,
sie kitzeln die Blüten,
bis sie rot, gelb, blau leuchten,
und lassen den Nektar im Schatten alt werden,
wie Sorgen über Nacht.
Wie Verzweiflung, die in Träumen wächst,
welche die Nadeln der Tannen auflädt,
bis sie mir den Weg durch meine Fantasien leiten.
Auf der Suche nach der Klippe des Horizonts, nach mir,
denke ich an den schwerelosen Moment,
wenn ich gesprungen bin,
die Last der Taschen von meinen Schultern vertrieben,
Purzelbäume im All schlagend.
Doch manchmal bin ich auch eine Biene,
und ich wedle mit den Armen,
wedle und wedle und wedle,
bis der pochenden Angst in meinen Fingern schwindelig wird,
Panik darüber, der klebende Honig an meinen Flügeln
könnte mich in runden Welten ertränken.
Aber nein, heute ist die Welt flach,
bitte, bitte, bitte,
heute ist die Welt nicht rund.
Denn ich bin die Klippe des Horizonts,
mit sagenhaften Puderzuckerbergen,
wie gehämmerte Kerben meiner Brust,
bald mein Herz,
bald sind deine Gitterstäbe zerstört,
ich möchte dich lehren wie man lächelt,
wie man aufrecht steht,
und ich möchte eine Hand auf das entstandene Loch legen,
damit sich kein Schmetterling ins Dunkel verirrt.
Nun musst du dich beeilen,
sonst gilt mein Name für zwei Teile,
zerbrochen wie ein Himmel,
der zu viele Vögel trägt,
Vögel so leicht,
wie ein Haufen Federn,
die Schwere ihrer Knochen in meinen.
Ich bin wie die Klippe des Horizonts,
und ich springe ab,
es fühlt sich nach Fliegen an,
nicht nach Fallen,
selbst mit zugeklebten Flügeln.