Unsere Gewinner*innen im Juni 2024

Unsere Gewinner*innen im Juni 2024

Wettbewerb im Juni 2024

Avocados aus Schwerin

Johanna Bauer

2005

alles wissen und 
gedacht haben, das sei rebellion, 
um sich selbst inszenieren zu können, 
um das dann in der instagram-story zu posten, 
um von allen gesehen zu werden, 
den fußgänger:innen-weg benutzen 
mit dem fahrrad 
über die fahrradampel fahren, mit dem auto 
über den fahrradweg, mit dem e-scooter; 
mit dem e-scooter cool aussehen 

die vorhänge zuziehen 
tagsüber 
nachtsüber 
die vorhänge aufziehen
um sich auszuziehen 
sich anziehen  
und zusammenreißen 
aufstellen 
bei der taktikbesprechung beim fußball 

an die frische gruft gehen 

es ist ja schon alles gesagt worden 
oder geschrien 

heute ist ein guter tag für wein/en 
therapie und weinbegleitung 
avocados aus deutschland 

ma io anche non lo so, solo sono una ragazza confusa 

 

La Piscine

Yasmin Hisir

2006

es knistern die Wolken im Wasser 
deine Wangen sind darin ertrunken 
Farbenlauge aus Pupillenschatten 
fließt der Speichel in deiner Bauchnabelhöhle zusammen 
Hände stoßen dort auf— 
rosafarbenes Fruchtfleisch 
schält sich unter deinen Lippenfetzen hervor 
erdrückende Hitze 
lässt uns die Luftlosigkeit des Sommers atmen 
Fingerspitzen tasten— 
Schweißperle um Schweißperle 
Hautschuppen bleiben daran kleben 
berühren?— 
Fleischlichkeit, die sich in Schweigen hüllt 
eine zweite Haut aus Pfirsichflecken 
wird abgezogen 
mit 
Gewalt—? 

IM SPIEGEL DES UFERS

Olivia Jill Pott

2006

Am Ufer saß sie still und leise, 
die Sonne sank, das Licht verblich, 
ihr Blick verlor sich in der Weite, 
als ob die Zeit für immer wich. 

Der Abendwind strich durch ihr Haar, 
und sanft erklang des Wassers Lied, 
ein friedlich Bild, so wunderbar, 
das sich in ihre Seele schrieb. 

Sie dachte an vergangne Tage, 
an Träume, die verweht im Wind, 
an Liebe, die zerbrach und Klage, 
an Zeiten, die vergangen sind. 

Der Mond erhob sich, sanft und klar, 
ein stiller Zeuge ihrer Pein, 
sein silbner Schein so wunderbar, 
schien tief in ihre Wunden rein. 

Die Sterne funkelten so weit, 
wie Augen, die sie stumm bewachten, 
sie fühlte sich mit ihnen eins, 
als ob sie ihren Schmerz bedachten. 

Das Wasser spiegelte ihr Bild, 
verzerrt im sanften Wellenspiel, 
sie sah sich selbst, so stark, so wild, 
und doch zerbrechlich, ohne Ziel. 

Das Ufer schien ihr fremd und weit, 
die Dunkelheit brach langsam ein, 
sie fühlte sich von ihr befreit, 
und doch so kalt, so ganz allein. 

Doch in der Ferne, dicht am Rand, 
da sah sie einen Schatten ziehn, 
ein dunkles Bild, das langsam schwand, 
ein Flüstern, das zu schreien schien. 

Und plötzlich stockte ihr das Herz, 
ein Schatten legte sich aufs Land, 
das Flüstern kam ihr nah, voll Schmerz, 
und griff nach ihrer zarten Hand. 

 

Da öffnet sie bestürzt die Augen, 
die Tränen laufen, klar und wahr, 
denn was sie sieht, ist kaum zu glauben: 
Der Schatten – das ist sie selbst vor einem Jahr.

Eine Auflösung ALLER ItalowesternPlots (just kiss already)

Lotti Spieler

2004

Zwei Cowboys in der Prärie, die Gleise zwischen uns, die Platzhitze auf den Nacken. Frank? Vergaß, weshalb. Dein Schweiß perlt von der Stirn in deine Augengruben, falschweinend stehst du vor mir. Habe dich vorhin mit einem Fernglas beobachtet, wie du deinen Revolver putztest, jetzt streckst du ihn vor dich, wie ein Fremdstück. Ein Finger auf dem absoluten Druckpunkt, ein Antrag, gleich einzudringen. Auch ich bin ein gezücktes Gegenüber. Verpulvere schon jetzt die Patronen meiner Floskeln, ohne zu schießen, die Rohlichter, die ausgeschwemmt sich durchs Gewebe kämpfen, wen treffen sie, wenn nicht abgefeuert. Ja, meine Pheromone sind eine Offenbarung, deshalb der Abstand. Dachte vorhin, es wäre an der Zeit, sie in Wortkästen zu zwängen, damit zu verstehst, was ich meine, aber habe gar nichts zu sagen, nur zu sehnen, meine Kugel in deiner Brust, oder andersherum. Müsstest mich nur mal riechen und die Erklärungsnot würde zurück zu ihrem Urzustand eines Fremdgefühls krauchen. Wer von uns liegt am Ende betroffen, wer erhebt sich vom Boden zurück in einen sicheren Stand. Würden wir einmal die Münder Münder sein lassen, könnten uns die Wörter mit der Zunge in den Mund legen, sie hinterm Gaumen begraben, uns mit Speichel besiegeln. Ich möchte rufen: Bist du ein Cowboy, der oft schießt, um sicher zu sein, getroffen zu haben?  

Flucht

Laura Trippel

2007

Für wen denn? Für wen denn? 
Warum zögerst du? Warum zitterst du?  
Ist das Behältnis zu eng? Oder das Wissen um die Existenz oder Nicht-Existenz zu schwer? 
Modimidofrsaso  
Dann läufst du davon?  
Nimmst den Mantel vom Haken  
Den Hut aus dem Regal  
Und Umhängetasche samt Nadel und Faden  
Durch den Flur fliegend die Nachbarn grüßend  
In die vom Tag noch warme Nacht entschwindend 
Mit den Händen durch die Luft tastend 
Den Stoff der Welten spürend 
ERLEICHTERUNG  
Die Schere aus der Tasche ziehend, ansetzend und  
Kkrrkh 
Das Land der grünen Wiesen, endlich  
Ddem inne wohnt die Berge tragende Macht 
Tiefe Höhlen, Glockentürme 
Sonne hebt ihren roten Kopf, blickt in deine Augen 
Blinzeln, nach Halt suchen 
Taumeln 
Krieger und Krankenschwestern in Rüstungen aus Papier 
Flirrende katzengroße Libellen 
Kalte Windfinger schlagen dir die Schere aus der Hand  
Mit der du den Stoff zwischen den Welten getrennt 
Schnitt 
Du wachst auf, auf dem Kopfsteinpflaster am Brunnen  
Geweckt vom Gefühl durch die halbe Stadt geschleift worden zu sein  
Aber durch welche Stadt? 
Und wieso ?! 
Dröhnen ohrfeigt dein Hirn und spielt damit Hockey  
Taghell, menschleer  
Eine Allee an Seufzern 

geflügeltes Wort

Marie Helene Zwicker

2003

tropfen versickerten im esszimmertisch 
tomatenhäute platzten auf 
über teppichränder stolperte man 

du streutest aschgrauen kinderzimmerstaub 
in meine augenwinkel 
du nanntest mich sterntaler 
dinge die du zu mir sagtest – geflügelte worte 
heimisch in meinem planetarium 

stück für stück 
fange ich sie ein 
die surrenden taubenbäuche beruhigen sich langsam 
in meiner hand 

deinen märchen 
schenke ich 
keinen glauben mehr